Ökologie & Gesellschaft

Papier vs. digital, Teil 3: Neurowissenschaft & Marketing

Gehirnstrommessungen geben Auskunft über das menschliche Rezeptionsverhalten. Werbeexperten machen sich diese neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze, um Botschaften zielgerichtet einzusetzen. Foto: Accuray/Unsplash

21.02.2023 – Werbung überliefert Informationen und transportiert Emotionen. Wie diese Botschaften aufgenommen und wahrgenommen werden, bestimmt der Mensch mit seinem Gehirn – mal bewusst, mal unbewusst. Die Neurowissenschaft liefert Erkenntnisse darüber, wie Werbung wirkt. Im Vergleich von Werbung auf Papier und auf dem Screen zeigt sich dann auch, wo Vorteile und Nachteile beim jeweiligen Kommunikationsweg liegen.

 

„Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will“ – Philosoph Arthur Schopenhauer erkannte bereits, dass der Einfluss auf unsere Emotionen begrenzt ist. Wie stark beeinflussen diese unser Verhalten? Können wir uns bewusst machen, was uns unbewusst steuert? Die hier zugrunde liegende Neuroforschung nutzt aber nicht nur dem wissenschaftlichen Diskurs, sie wird auch zum Marketinginstrument und macht die Rezeption von Werbung messbar. Hier stellt sich auch die Frage, wie physische Werbung auf Papier und digitale Werbung unterschiedlich wahrgenommen werden.

Hirnforschung und Marketing

In den letzten Jahren hat kaum eine Wissenschaft so stark an Bedeutung gewonnen wie die Neuroforschung. Erkenntnisse aus der Hirnforschung werden immer häufiger in anderen Bereichen wie der Wirtschaft und der Sozialwissenschaft genutzt. So basieren derlei Modelle oft auf neurowissenschaftlichen Grundlagen. Auch in der Werbung und im Marketing wird Neuroforschung vermehrt eingesetzt, um Konsumentinnen und Konsumenten besser zu verstehen. Dabei lassen sich drei Phasen identifizieren, die einen werblichen Reiz durchlaufen können. Zuerst muss die Botschaft erkannt, dann verarbeitet und gespeichert und schließlich bewertet werden.

Ein Reiz, wie zum Beispiel ein Anzeigenplakat oder ein Werbespot, muss sich zudem gegen andere Botschaften und Reize im gleichen Raum durchsetzen, bevor er erkannt wird. Der Mensch neigt dazu, Informationen zu ignorieren, da Abläufe im Gehirn Energie verbrauchen und daher sparsam genutzt werden sollen. Aus der Perspektive der Neurowissenschaft verschmelzen die Prozesse der Wahrnehmung und der Aufmerksamkeit auf der neuronalen Ebene. Diese Bereiche beinhalten viele ergänzende Prozesse in verschiedenen Hirnstrukturen. Allgemein kann man zwischen bewusster und unbewusster Wahrnehmung unterscheiden, die in unterschiedlichen Hirnregionen lokalisiert sind.

 

Mittels Eye-Tracking lässt sich feststellen, in welchen Bereichen einer Botschaft die Aufmerksamkeit hängen bleibt. Dort können dann auch zentrale Inhalte platziert werden. Fotos: Amanda Dalbjorn/Unsplash, Tschneidr CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

Messbare Wahrnehmung

Es stehen verschiedene Messmöglichkeiten zur Verfügung, um die Wirkung von Werbemitteln auf das menschliche Gehirn zu untersuchen:

  • Eye-Tracking: Diese Methode verwendet spezielle Kameras, um die Augenbewegungen von Probanden während der Ansicht von Werbemitteln zu verfolgen und so zu erfahren, welche Bereiche des Werbemittels besonders aufmerksamkeitsstark sind.
  • Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT): Diese Methode verwendet starke Magnetfelder und Radiowellen, um Bilder des Gehirns zu erstellen und so die Hirnaktivität von Probanden während der Ansicht von Werbemitteln zu messen.
  • Elektroenzephalografie (EEG): Diese Methode misst mithilfe von Elektroden, die auf der Kopfhaut platziert werden, die elektrische Aktivität des Gehirns von Probanden während der Ansicht von Werbemitteln.
Gedruckte Inhalte auf Papier werden ganz anders und intensiver rezipiert. Hier lassen sich Botschaften nachhaltiger platzieren. Foto: True Agency/Unsplash

Bedingungen zur Wahrnehmung gedruckter Botschaften 

Die Wahrnehmung von Werbung auf Papier hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Layout, der Farbgebung, dem Text und dem Inhalt der Werbung. Auch der Kontext, in dem Werbung präsentiert wird, spielt eine Rolle, wie zum Beispiel in welcher Zeitschrift oder an welchem Ort die Werbung platziert ist. Einige Studien haben gezeigt, dass Werbung auf Papier oft als vertrauenswürdiger und glaubwürdiger empfunden wird als digitale Werbung, da die physische Präsenz eine größere Wirkung hat. Auf der anderen Seite, wenn die Werbebotschaft auf Papier unter vielen anderen Botschaften in einer Zeitschrift verloren geht, kann das die Aufmerksamkeit und den Effekt der gesonderten Wahrnehmung stark reduzieren. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Rezeption von Werbung – entsprechend neurowissenschaftlicher Untersuchungen – von Person zu Person unterschiedlich ist. Entscheidend dabei sind individuelle Erfahrungen, Einstellungen und Werte, die die kognitiven Herangehensweisen mit beeinflussen.

Die Wirkung von Werbung auf Papier

Speziell auf Printwerbung bezogen, erhöht sich die Aktivität in bestimmten Bereichen des Gehirns wie dem visuellen Cortex und dem Hippocampus. Dies kann dazu beitragen, dass das Gehirn die Informationen besser verarbeitet und sich besser daran erinnert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Werbung – in einer physischen Form präsentiert – dazu führt, dass eine größere Aufmerksamkeit und Emotionalität bei der Rezeption generiert wird. Ergo: Die Informationen verhaften besser im Gedächtnis. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Wahrnehmung von Printwerbung in ihren Ausprägungen von verschiedenen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel der Zielgruppe, dem Inhalt der Werbung, dem Umfeld und der Art der gedruckten Botschaft.

 

Die Kanäle zum Transport von Botschaften sind vielfältig. Vom mobilen Endgerät bis zur überdimensionierten Plakatwand – jede Botschaft wird für das jeweilige Medium maßgeschneidert, um den größtmöglichen Effekt beim Rezipienten zu erzielen. Fotos: Tania Mousinho/Unsplash, charlesdeluvio/Unsplash

Digitale Werbung – schneller, aber nicht unbedingt besser 

Untersuchungen zu Reaktionen von Probandinnen und Probanden auf digitale Werbebotschaften haben gezeigt, dass sich bei der Rezeption die Aktivität in bestimmten Bereichen des Gehirns, wie dem präfrontalen Cortex und dem visuellen Cortex, erhöht. Dies trägt dazu bei, dass das Gehirn die Informationen schneller verarbeitet. Die schnellere Ablaufgeschwindigkeit von digitaler Werbung wirkt sich allerdings auch auf die Einprägsamkeit aus. Durch die Möglichkeit, die Werbebotschaft wegzuklicken oder zu überspringen, bleibt weniger Zeit, Botschaften aufzunehmen, zu verarbeiten und letztens sich daran zu erinnern. Hinzu kommt, dass eine zu große Menge an digitaler Werbung dazu führt, dass Rezipientinnen und Rezipienten überfordert sind und die Werbung nicht mehr wahrnehmen. Filterblasen schränken zudem die Sicht auf andere Themenfelder jenseits des Interessenshorizonts ein. Verschiedene Arten der digitalen Werbung, wie Pop-up-Anzeigen oder Autoplay-Videos, werden als störend empfunden, was die Nutzungserfahrung beeinträchtigt. Die Werbung wird dann als negativ bewertet.

 

Das Beste aus zwei Welten

In der Rezeption hat sich mittlerweile eine Kombination aus beiden Welten etabliert. Mithilfe der Neurowissenschaft können Marketingexperten besser identifizieren, wo Print- als auch digitale Werbung ihre jeweiligen Vor- und Nachteile haben. So lässt sich auch feststellen, welche Art von Werbung am besten zu den Zielen und der Zielgruppe passt und welche Maßnahmen die bestmögliche Wirkung erzielen. Es gibt mittlerweile auch Ansätze, bei denen Print- und digitale Werbung nahezu verschmelzen, um die Vorteile beider Arten optimal zu nutzen: Im Cross-Media-Marketing werden Print- und digitale Werbemaßnahmen miteinander verknüpft, indem zum Beispiel in Printwerbung platzierte QR-Codes auf digitale Inhalte verweisen. Oder umgekehrt, indem eine Online-Kampagne durch Printanzeigen unterstützt wird. Beim Multichannel-Marketing setzt man sowohl auf digitale als auch analoge Kanäle, um die Zielgruppe auf verschiedenen Wegen und zu verschiedenen Zeiten anzusprechen. So kann man beispielsweise eine Online-Kampagne mit Direktmarketing-Mailings oder Printanzeigen unterstützen. 

Je nach Situation lassen sich Informationen, Bilder und immanente Emotionen auf unterschiedlichen Wegen transportieren. Und die kognitive Wirkung lässt sich mithilfe der Neurowissenschaft optimal ausschöpfen. So zeigt sich letztlich, dass beide Formen der Kommunikation auch in Zukunft nebeneinander und miteinander existieren. 

 



Titelbild: DeepMind Chris Schramm/Unsplash


Autor/-in

Benjamin Seibring

Benjamin Seibring ist Redakteur für die Bereiche Lifestyle und Mobilität. Er interessiert sich zudem für Kulturthemen mit den Schwerpunkten Musik, Film und Medienanalyse.

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