Papierwelten

Papier vs. digital, Teil 1: Umwelt und Verständnis

Der primäre Rohstoff für die globale Papierherstellung ist nach wie vor Holz. Foto: Alex Chernenko/Unsplash

Die Digitalisierung schreitet voran und verändert grundlegende Aspekte unseres Lebens in einem Tempo, das geradezu unglaublich ist. Wenn wir nur einmal zurückdenken, wie sich unser Alltag vor 25 Jahren gestaltet hat und wie er nun aussieht, können wir eigentlich nur staunen. Eine Sache hat sich allerdings nicht verändert: Papier ist uns wichtig. Das jahrhundertealte Kulturgut scheint Bedürfnisse zu bedienen, die nicht digital ersetzt werden können. Wie kommt das? Und was bedeutet das für die Umwelt? Im ersten Teil der Reihe „Papier vs. digital“ vergleichen wir die beiden Medien hinsichtlich ihrer ökologischen Aspekte und werfen einen Blick auf Erkenntnisse der Leseforschung.

Für uns als nachhaltiges Unternehmen ist es immer die Frage aller Fragen: Was ist umweltfreundlicher? Heute stellen wir sie bezogen auf den Vergleich von Printmedien mit digitalen Medien. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, denn ein direkter Vergleich fällt schwer – doch wir wollen eine Annäherung wagen. Sehen wir uns dazu die Aspekte Rohstoff-, Wasser- und Energieverbrauch an sowie Schätzungen bezüglich der CO₂-Bilanz.

Papier vs. digital – Rohstoff

Da bisher wenige Papierhersteller arbeiten wie Steinbeis Papier, muss für den Rohstoffvergleich von Printmedien davon ausgegangen werden, dass die Hauptressource Holz ist. Ein großer Teil des im Gesamten genutzten Papiers ist nach wie vor Frischfaserpapier. Der immerhin nachwachsende Rohstoff wird für Deutschland größtenteils in skandinavischen Wirtschaftswäldern gewonnen. Das daraus gewonnene Papier wird zu 78 % recycelt.

Arbeitende beim Abbau von Coltan in der Demokratischen Republik Kongo. Die Gewinnung seltener Erden und Metalle, die für die Herstellung von elektronischen Geräten nötig sind, erfolgt häufig unter schwierigen Bedingungen. Fotos: sourcingnetwork/flickr (CC BY-NC 2.0)

Die Rohstoffe, die für digitale Medien benötigt werden, wachsen nicht nach. Es handelt sich dabei um einige Edelmetalle und seltene Erden, wie zum Beispiel Tantal, Palladium, Kobalt, Gold, Silber und Kupfer. Einige von ihnen stammen aus Regionen wie Zentralafrika, wo Regenwälder für ihre Gewinnung gerodet werden und die Arbeitsbedingungen oft sehr schlecht sind. In Deutschland wird Elektroschrott zu 43 % recycelt, der Rest landet zum Großteil wieder in Schwellenländern. Bei den Rohstoffen schneidet Print demnach eindeutig besser ab als digital, da nachwachsende Rohstoffe grundsätzlich nachhaltiger sind als Edelmetalle. Dabei sollte jedoch auch bedacht werden, dass die Bilanz digitaler Medien sich mit zunehmender Nutzungsdauer verbessert, und zusätzlich, wenn die eingesetzten Rohstoffe am Ende des Lebenszyklus recycelt werden.

Die Herstellung elektronischer Geräte ist zum Teil filigrane Feinstarbeit, die viel Energie bindet – diese ist jedoch nichts im Vergleich zu der späteren Nutzungsenergie des Geräts. Foto: Tima Miroshnichenko/Pexels

Papier vs. digital – Wasser

Der Wasserverbrauch lässt sich ebenfalls nur anhand von Schätzungen und Mittelwerten vergleichen, da er stark vom individuellen Nutzungsverhalten der Konsument:innen abhängt. Entscheidend ist dabei das sogenannte virtuelle Wasser, also das Wasser, welches über den gesamten Herstellungsprozess und die spätere Nutzung und Entsorgung verbraucht wird. 

→ Lesen Sie mehr über virtuelles Wasser in unserem Blogbeitrag „Unser Umgang mit Wasser“. 

Ein Blatt Frischfaserpapier verbraucht in der Herstellung etwa 10 l Wasser. Recyclingpapier hingegen verbraucht nur ca. 100 ml pro Blatt. Für die Herstellung eines Computers werden etwa 20.000 l Wasser benötigt. Auf den ersten Blick eine klare Sache: Papier gewinnt. Auch in diesem Fall muss allerdings bedacht werden, dass ein Computer über Jahre genutzt werden kann, während ein großer Anteil von Papier zu Produkten verarbeitet wird, die nur einmal verwendet werden.

Papier vs. digital – Energie und CO₂ 

Besonders interessant wird der Vergleich in puncto Energie: Die Papierindustrie ist weltweit die fünftgrößte industrielle Energieverbraucherin. Die Herstellung von Papierprodukten aus Frischfasern ist demnach sehr energieintensiv – ihre anschließende Nutzung hingegen nicht mehr. Ist ein Buch einmal gedruckt, kann es über Jahrzehnte genutzt werden und verbraucht überhaupt keine Energie mehr. Ist das Buch darüber hinaus auf Recyclingpapier gedruckt, das mit dem Blauen Engel zertifiziert ist, hat es in seiner Herstellung nur einen Bruchteil der Energie verbraucht, die ein Frischfaserprodukt benötigt.

Die Herstellung von elektronischen Geräten ist ebenfalls energieintensiv, vor allem jedoch deren Nutzung. Allein das Internet produziert so viel CO₂ wie der globale Flugverkehr. Laut Schätzungen wird der Energieverbrauch außerdem rasant anwachsen und im Jahr 2030 so hoch sein wie der Energieverbrauch der gesamten Weltbevölkerung im Jahr 2011. In diesem Punkt gilt für die Nutzung beider Medien jeweils das genaue Gegenteil: Je mehr und je länger Menschen ein Papierprodukt nutzen, desto besser dessen Energiebilanz. Je mehr und je länger Menschen das Internet nutzen, desto schlechter dessen Energiebilanz. Wir sehen: Ob digitale Medien oder Printmedien nachhaltiger sind, kann nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Maßgeblich ist dabei das Nutzungsverhalten. Und im Falle von Papier, ob es sich um Frischfaser- oder Recyclingpapier handelt. Kommen wir nun zum zweiten Teil dieses Beitrags: der Leseforschung. Dabei finden wir einige Hinweise darauf, wieso Papier für uns unersetzlich ist.

Ist Lesen gleich Lesen?

Jedes Medium hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Wenn wir uns diese bewusst machen, können wir sowohl Print als auch digitale Angebote am besten für uns nutzen. Fotos: olia danilevich/Pexels, Should Wang/Unsplash, Toshiyuki IMAI/flickr (CC BY-SA 2.0), cottonbro/Pexels

Diese Frage können Sie selbst leicht beantworten: Lesen Sie ein Buch genauso wie eine WhatsApp-Nachricht? Wohl kaum. Es gibt also langsames und schnelles Lesen. Und ersteres scheinen wir mit voranschreitender Digitalisierung immer mehr zu verlernen. Laut Ergebnissen aus der Kognitionswissenschaft fällt es uns heute eher schwer, die nötige Geduld und Ruhe aufzubringen, um richtig in eine Geschichte einzutauchen. Wir sind nun eher daran gewöhnt, zu scannen anstatt zu lesen. Das kommt daher, dass wir mehr auf Bildschirmen lesen, was unser gesamtes Leseverhalten verändert hat. Bei Bildschirmen sind wir eher geneigt, oberflächlich und schnell zu lesen – wenig überraschend, denn das Tempo in der digitalen Welt ist unheimlich hoch, und wir werden laufend neuen Nachrichten, also Reizen ausgesetzt. Um dabei am Ball zu bleiben, mussten wir lernen, schnell zu lesen und Informationen zügig nach ihrer Relevanz einzuordnen. Diese Adaption sorgt aber auch dafür, dass wir nun manchmal Probleme haben, langsam und konzentriert zu lesen und uns auf ein Narrativ einzulassen. Doch keine Sorge: Auch das kann jede:r wieder lernen. Wenn wir eine ausgewogene Balance schaffen, nach der wir sowohl das Scannen von E-Mails als auch das Lesen von Geschichten in unseren Alltag integrieren, kultivieren wir so die Fähigkeiten, die für beides notwendig sind. „Geschichten lesen ist aber nur Unterhaltung“, denken nun vielleicht einige. Das mag sein, aber auch dabei können wir viel lernen

Wer viel liest, verbessert seine Empathiefähigkeiten

Erkenntnisse der Leseforschung bestätigen, dass tiefgründiges Lesen eine Fähigkeit ist, die wir nicht verlernen sollten – denn die hilft uns, zu empathischen Menschen zu werden. In der Psychologie spricht man dabei von der „Theory of mind“. Sie beschreibt die Denkprozesse, die notwendig sind, um sich in andere hineinzuversetzen. Und Menschen, die viel lesen, haben offenbar eine bessere „Theory of mind“. Auch das ist nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, dass Geschichten Situationen und Handlungen beschreiben, die sozusagen im Kopf der Leserin oder des Lesers simuliert werden. Die fiktiven Figuren interagieren miteinander, denken, fühlen, und wir als Personen, die darüber lesen, sind quasi live dabei – und dadurch lernen wir eine ganze Menge. Spielt es dabei eine Rolle, ob wir auf einem Bildschirm lesen oder in einem Buch? Das ist nicht ganz leicht zu beantworten. Gewiss haben wir die Tendenz, Texte lieber in gedruckter Form zu lesen, je länger und komplexer sie sind. Und Studien mit Schüler:innen haben gezeigt, dass diese Fragen zu einem Text besser beantworten können, wenn sie ihn auf einem Blatt Papier gelesen haben und nicht auf einem Laptop. Das Textverständnis ist bei gedruckten Texten besser.

Informationen werden gedruckt besser aufgenommen

Metaanalysen von über 50 Studien bestätigen dies: Leser:innen verstehen Sachtexte besser, wenn sie gedruckt sind, was unter anderem daran liegt, dass es keine ablenkenden Multimedia-Inhalte gibt. Bei reinen Informationstexten ist Papier dem Digitalen überlegen. Dieselben Studien legen aber auch nahe, dass dies nicht für narrative Texte gilt – den neuesten Roman der Lieblingsautorin kann man demnach digital genauso gut aufnehmen und genießen wie gedruckt. Viele Menschen kommen jedoch leichter in den „Flow“, also den Zustand des völligen Eintauchens, wenn sie gedruckte Texte lesen. Das kann auf die bereits erwähnte Adaption zurückgeführt werden, nach der wir uns laufend selbst darauf konditionieren, digital schneller und oberflächlicher zu lesen. Wir konzentrieren uns einfach weniger, wenn wir einen Bildschirm vor uns haben, als bei einem Buch. Auch das hat jedoch seine Vorteile: Wenn wir uns über ein Thema informieren wollen, ist es viel effizienter, im Internet zu scannen und querzulesen.

Wir schließen daraus: Lesen ist nicht gleich Lesen. Beide Arten zu lesen, digital und gedruckt, haben ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche und können sich daher nicht gegenseitig ersetzen oder verdrängen. Wir können die Vorteile beider Arten nutzen – allerdings müssen wir dafür darauf achten, dass wir unsere Lesefähigkeiten für beide Medien ausbilden und pflegen.

 

Titelbild: Trent Erwin/Unsplash


Autor/-in

Isabella Bigler

Isabella Bigler ist Redakteurin und Texterin. Hier schreibt sie über nachhaltige Themen, die Vergangenheit und die Zukunft – gelegentlich mit Unterstützung ihrer engagierten Interns Lumen Nguyen und Liam Jennings.

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