Innovation & Technologie

Nachhaltige Mobilität in Schleswig-Holstein

Alle Welt redet von Elektromobilität, an die Schifffahrt wird dabei seltener gedacht. Dabei geht die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel auf der Kieler Förde mit gutem Beispiel voran. Fotos: Frank Weichelt/Unsplash, Katharina Bill/Unsplash

20.06.2023 – Schleswig-Holstein setzt auf Elektromobilität. Das beweist die stetig steigende Anzahl der zugelassenen Elektroautos und Ladestationen. Doch neben dem Zuwachs an emissionsfreien individuellen Fortbewegungsmitteln gibt es weitere interessante Projekte, unter anderem im öffentlichen Nahverkehr, die dieses Engagement deutlich machen. Wir zeigen eine Auswahl der innovativen Mobilitätslösungen in unserem Bundesland.

 

Schleswig-Holstein ist Spitzenreiter in Sachen Elektromobilität – zumindest in der Ländervergleichsstatistik der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen. Dort stand das nördlichste Bundesland im April 2023 ganz oben. Der Anteil von batterieelektrischen Antrieben und Plug-in-Hybriden unter den Gesamtzulassungen betrug 26,05 Prozent, und so platzierte sich SH vor Rheinland-Pfalz (25,58 Prozent) und Baden-Württemberg (25,27 Prozent)*. Auch die Anzahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte nahm in jüngster Zeit immer stärker zu. Waren es 2015 noch 26, wurden im März 2023 3.243 Lademöglichkeiten gezählt, davon 569 Schnellladepunkte**.

Doch nicht nur im Individualverkehr, auch im öffentlichen Nahverkehr ist viel Bewegung in die Verkehrswende gekommen – und das sogar auf dem Wasser.

Mit der E-Fähre über die Förde

Jeder kennt das markante Tuckern des Dieselmotors von Fähren, wie sie in Schleswig-Holstein zu Dutzenden den Transfer über Flüsse, Seen, von einer Insel zur anderen oder auch die Überquerung von Buchten und Förden ermöglichen. Auf der Schwentinelinie F2, die vom Ost- zum Westufer der Kieler Förde fährt, hat sich das Tuckern in das beruhigende Summen eines Elektromotors verwandelt. Dort setzt seit zwei Jahren die „MS Düsternbrook“ der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel (SFK) mit ihrer Antriebstechnik neue Maßstäbe in der Fördeschifffahrt. Die zwei installierten Baumüller-Fahrmotoren des Hightech-Schiffes werden ausschließlich mit Akkus betrieben. An den Fähranlegern Bahnhofsbrücke Kiel sowie Dietrichsdorf hat die SFK die zum Laden des Schiffes notwendige Ladeinfrastruktur aufgebaut. Die „MS Düsternbrook“ kann mit aufgeladenen Batterien circa zehn Stunden im Linienbetrieb fahren, bis zu 140 Fahrgäste befördern und 60 Fahrräder transportieren. Ideal ist das zum Beispiel für die Studierenden der Fachhochschule, die im Halbstundentakt wochentags hin- und herpendeln können. „Für die SFK beginnt mit der ,MS Düsternbrook‘ eine neue Ära unserer Flotte“, sagte zur Schiffstaufe 2021 der Geschäftsführer der SFK Andreas Schulz. Und der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer bestätigte, dass die Landeshauptstadt mit der „MS Düsternbrook“ einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität geht: „Sie ist ein wichtiger Baustein, den Kieler Hafen umweltfreundlicher zu machen. Mit dem neuen Schiff setzt die SFK den Auftakt, Schiffe mit klimafreundlichem Antrieb zu bauen, fort. Weitere Schritte werden folgen.“ So wurde 2022 die „MS Wellingdorf“ in den Dienst gestellt, die auf der Schwentinelinie F2 abwechselnd mit ihrem Schwesterschiff „MS Düsternbrook“ pendelt. Und Anfang 2023 fand bei der Werft Holland Shipyards die Kiellegung für die dritte E-Fähre statt, die auf der Kieler Förde fahren und diesen Sommer ausgeliefert werden soll. 

Ebenfalls im Sommer 2023 soll die „Missunde III“ in Betrieb gehen – allerdings nicht in Kiel, sondern auf der Schlei. Die mit Akkus und Solarzellen ausgestattete Fähre wird Kosel und Brodersby verbinden, dabei leiser, emissionsfrei, aber deutlich größer und  leistungsfähiger sein als die „Missunde II“. Die neue Schleifähre kann mit rund 50 Tonnen mehr als die doppelte Last ihrer Vorgängerin transportieren.

Auch in Sachen Güterverkehr und Luftfahrt der Zukunft beschreitet Schleswig-Holstein mit Konzepten, Ideen und konkreten Forschungsprojekten neue Pfade. Fotos: Nigel Tadyanehondo/Unsplash, Thomas Urquhart/Unsplash

Kieler Busflotte unter Strom

Von der Schlei zurück nach Kiel und vom Wasser auf die Straße, denn in Kiel erfolgt gerade die Elektrifizierung der Busflotte. Wie der schleswig-holsteinische Klimaschutzminister Tobias Goldschmidt formulierte, ist ein gut ausgebauter und elektrifizierter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ein zentrales Puzzlestück für die Mobilitätswende und bringt eine doppelte Klimadividende. „Denn so kann CO2 eingespart und Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn motiviert werden. Mit Fördermaßnahmen wie hier in Kiel ebnen wir den Weg für einen klimaneutralen Nahverkehr in Schleswig-Holstein“, sagte Goldschmidt, als er sich im Februar 2023 auf dem Kieler Ostufer über die fortschreitende Elektrifizierung des Busbetriebs bei der Kieler Verkehrsgesellschaft mbH (KVG) informierte. Mittlerweile fahren 67 E-Busse auf Kiels Straßen, und sieben Endhaltestellen sind mit entsprechenden Ladevorrichtungen elektrifiziert. Mitte 2023 werden die vollelektrisch betriebenen Batteriebusse auf den innerstädtischen Linien 6, 9, 11, 14, 22, 31, 32, 34, 42, 43, 45, 51, 52, 60S, 61, 71, 81 und 91 eingesetzt, bis zum Jahr 2030 sollen alle Fahrzeuge durch die emissionsfreien Modelle ersetzt werden. Der Ökostrom für den Busbetrieb stammt zu 100 Prozent aus Wasserkraft.

Die elektrifizierte Autobahn

Neben dem öffentlichen Nahverkehr ist der Straßengüterverkehr ein Mobilitätsbereich, in dem gigantische CO2-Emissionen vermieden werden müssen. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist die Bundesautobahn A1 in Schleswig-Holstein der Schauplatz eines wegweisenden Feldversuchs: des eHighways. Dieses innovative Projekt zielt darauf ab, den Güterverkehr auf der Autobahn zu elektrifizieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung nachhaltiger Transportlösungen zu leisten.

Der eHighway nutzt eine innovative Technologie, bei der elektrisch betriebene Lastwagen mit Stromabnehmern ausgestattet werden, ähnlich wie bei einer elektrischen Straßenbahn. Auf ausgewählten Streckenabschnitten der A1 werden Oberleitungen installiert, die die Lastwagen mit elektrischer Energie versorgen. Während der Fahrt können so Batterien geladen werden, um nicht ausgebaute Strecken zu überbrücken. Der Feldversuch eHighway Schleswig-Holstein (FESH) ist ein Pilotprojekt für diese elektrisch angetriebenen Oberleitungs-Lkw. Auf einer fünf Kilometer langen Teststrecke an der Bundesautobahn 1 zwischen Reinfeld und Lübeck wurde dazu eine Oberleitungsanlage errichtet. Die Reinfelder Spedition Bode und weitere Unternehmen befahren diese Strecke seit 2020 im täglichen Pendelbetrieb, um die Alltagstauglichkeit zu testen. Verschiedene Forschungseinrichtungen wie die Fachhochschule Kiel, die Hochschule Heilbronn und die Technische Universität Dresden begleiten diesen Praxisbetrieb mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Ziel des Feldversuches ist, dieses System technisch, ökologisch, ökonomisch und unter Verkehrsgesichtspunkten zu bewerten, um der Politik Entscheidungsgrundlagen für einen möglichen Ausbau zu liefern. Das Projekt war zunächst bis Ende 2022 befristet. Doch die bisherige Bilanz war aus Sicht der Beteiligten so erfolgreich, dass nun eine Fortführung bis Ende 2024 geplant ist. Sogar eine Einbindung der norddeutschen Hafenstandorte Lübeck, Hamburg und Bremen, um diese miteinander per eHighway zu verbinden, wird von den Verantwortlichen diskutiert.

Sogar Baufahrzeuge werden elektrisch

Auch mitten im Herzen Schleswig-Holsteins, im beschaulichen Büdelsdorf, wird an der Mobilitätswende gewerkelt – allerdings auf einem Spezialgebiet. Der Maschinenbauer Mecalac entwickelt hier neben konventionellen Baumaschinen auch E-Fahrzeuge. Gefertigt wird hier unter anderem der es1000, ein vollelektrischer Hublader, der herkömmliche Dieselmodelle ersetzen kann und die Vorteile eines elektrischen Antriebs in die Welt des Baugewerbes bringt. Mit einem leistungsstarken Elektromotor und einer hochmodernen Batterietechnologie ausgerüstet, bietet der E-Hublader eine beeindruckende Leistungsfähigkeit und eine hohe Energieeffizienz bei deutlich geringerer Geräuschentwicklung. Insgesamt verfügt der deutsch-französische Hersteller sogar über ein komplettes Sortiment mittelgroßer elektrischer Baumaschinen für städtische Baustellen. Es besteht aus dem Elf-Tonnen-Bagger e12, dem 1.000-Liter-Schwenklader es1000 und dem Sechs-Tonnen-Dumper ed6. In Büdelsdorf werden allerdings nur die Hublader und somit das elektrisch betriebene Modell es1000 hergestellt.

Zu Wasser, zu Lande … fehlen eigentlich nur noch Projekte, um auch den Luftverkehr in Schleswig-Holstein klimaneutral zu gestalten. Tatsächlich laufen auch hier schon die ersten Anträge und Vorbereitungen für den Flughafen Kiel-Holtenau. So wurden bereits Investitionen gestartet, um sowohl die Flugsicherung als auch die Anflugbefeuerung umfangreich zu modernisieren. Ebenfalls sind leistungsstarke Photovoltaikanlagen in Planung, damit die in Kiel landenden Elektro- und Hybridflugzeuge klimaneutral aufgeladen werden können.
Vielerorts startet Schleswig-Holstein also bereits mit Vollgas – pardon, voller Wattleistung – in die Verkehrswende und die Ära der Elektromobilität.

 


* Quelle: Landeskoordinierungsstelle Elektromobilität SH nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes
** Quelle: Landeskoordinierungsstelle Elektromobilität SH nach Angaben der Bundesnetzagentur

 

Titelbild: Marvin Radke/Unsplash


Autor/-in

Jan Strahl

Jan Strahl hat seit seinem Redaktionsvolontariat in Hamburg für nahezu alle großen und kleinen Verlage der Stadt als Journalist, Redakteur oder Autor gearbeitet. Er schreibt für Publikumsmedien und Corporate Publishing Publikationen über Kunst, Fashion, Lifestyle oder Wissensthemen.

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