Ökologie & Gesellschaft

Mogelpackung „holzfrei“: Was steckt hinter dem Begriff?

18.04.2019 - Kekse ohne Zucker, Milch ohne Fett, Papier ohne Holz. „Frei von“-Produkte haben in den letzten Jahren Auftrieb und suggerieren: Mit dem Kauf tun wir uns oder der Umwelt etwas Gutes. Aber wie ist das beim Begriff „holzfrei“ tatsächlich?

Papier ist nicht gleich Papier. Es unterscheidet sich darin, wie es sich anfühlt, wie weiß oder durchsichtig es ist. Diese unterschiedlichen Papiereigenschaften – Haptik, Weißgrad und Opazität – hängen mit dem Herstellungsprozess zusammen und damit, welche Stoffe es enthält.

Holzfrei vs. holzhaltig – was ist der Unterschied?

Grundsätzlich gilt: Der Begriff holzfrei bezieht sich nicht darauf, ob zur Herstellung des Papiers Bäume gefällt wurden oder nicht, sondern auf das Verfahren, wie aus dem Baum Papier hergestellt wurde. Um den Unterschied zwischen den häufig verwendeten Begriffen holzfrei und holzhaltig zu verstehen, muss man bei den drei Hauptbestandteilen vom Holz beginnen. Diese sind zu 40 bis 50 Prozent Cellulose, 25 bis 35 Prozent Hemicellulose und zu 20 bis 30 Prozent Lignine. Letztere sind feste Biopolymere, die in die pflanzliche Zellwand eingelagert werden und dadurch die Verholzung der Zelle bewirken. Zur Herstellung von Papier wird die Holzmatrix aufgebrochen und in eben diese Bestandteile vereinzelt.

Bei der rein mechanischen Zerfaserung bleiben alle drei Stoffe im Holz erhalten, auch das verholzende Lignin. Der erzeugte Faserstoff wird deshalb als Holzstoff bezeichnet. Wird dieser Faserstoff zur Papierherstellung verwendet, spricht man von holzhaltigem Papier.

Aber auch holzfreies Papier besteht letztlich aus Holz. Es sind dieselben Baumarten und Abholzungsgebiete betroffen wie im Falle des holzhaltigen Papiers. Der Unterschied: Bei der Herstellung gesellt sich zur Mechanik die Chemie. Durch die Kombination von Chemikalien, Druck und Hitze wird das Lignin im Holz zerkleinert und löslich gemacht. Nach diesem Vorgang ist nur noch sehr wenig Lignin im Faserstoff übrig und die Fasern können leicht voneinander getrennt werden. Das Ergebnis: Zellstoff. Da neben dem Lignin auch ein Teil der Cellulose und Teil der Hemicellulosen aufgelöst werden, gehen bei diesem Herstellungsverfahren etwa 50 Prozent des eingesetzten Holzes verloren.

Mehr noch: Das unerwünschte Lignin wird bei der chemischen Gewinnung beseitigt, jedoch nie zu 100 Prozent. Aus diesem Grund wird das restliche Lignin in nachfolgenden Bleichvorgängen entfernt. Als holzfrei darf sodann jedes Frischfaserpapier bezeichnet werden, das weniger als 5 Prozent Holzstoff enthält. Richtig wäre allerdings ligninfreies Papier. Das kann man allerdings weniger werbewirksam einsetzen – wer kennt schon Lignin? Stattdessen steht auf den Verpackungen „holzfrei“, obwohl es ursprünglich auch aus Holz hergestellt wurde.

DIE WAHRE ÖKOLOGIE VON FRISCHFASERPAPIER

Bei der Produktion von holzhaltigem Papier wird 90 Prozent des Holzes verwertet. Das klingt erst mal nicht schlecht. Wenig Abfall. Für ein Kilogramm handelsübliches Frischfaserpapier, egal ob holzhaltig oder holzfrei (etwa 200 Blatt), werden in der Produktion jedoch mehr als zwei Kilogramm Holz benötigt. Die Rohstoffe für Frischfaserpapier werden gewonnen aus Nadelhölzern wie Fichte und Kiefer, aber auch aus Laubhölzern wie Birke, Buche und Eukalyptus. Dieses Holz stammt zu 80 Prozent nicht aus Deutschland, sondern wird importiert – auch aus den Urwaldgebieten Südamerikas, einem der arten- und wasserreichsten Ökosysteme der Erde. Die Bildung von Monokulturen gefährdet deren Biodiversität. Beschreibungen wie „frei von Tropenholz“ führen oftmals in die Irre. Denn auch Eukalyptusplantagen, die vermeintlich ökologisch sauberen Rohstoff bieten, werden häufig dort gepflanzt, wo vormals Tropenbäume gerodet wurden. 20 Prozent des weltweiten Holzeinschlags werden zur Papierproduktion verwendet.

Kurz: Egal, ob holzfrei oder holzhaltig, die Herstellung von Frischfaserpapier aus Holz ist energieaufwendig sowie wasser-, rohstoff- und chemieintensiv.

Ein Teilerfolg: FSC?

Das FSC®- Siegel steht für „Forest Stewardship Council®“. Es ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft. Diese Wälder und Plantagen werden unter anderem nach strengeren ökologischen und sozialen Prinzipien bewirtschaftet. Das soll dazu beitragen, dass die Wälder langfristig erhalten bleiben können. Die Vorstellung, ein FSC-zertifizierter Wald sei völlig unberührte Natur, trifft allerdings ebenso wenig zu wie die Vorstellung, in den entsprechenden Wäldern würden nur sporadisch Bäume abgeholzt werden. Dennoch: FSC-Siegel geben die Marschrichtung vor, wie wir mit Ressourcen umgehen sollten: Bewusst.

Und nun?

Was also tun, wenn beides keine nachhaltigen Alternativen sind? Statt Holz können vorhandene Rohstoffe genutzt werden: nämlich Altpapier. Und zwar zu 100 Prozent. Recyclingpapiere, die mit Öko-Zertifizierungen wie „Blauer Engel“ ausgezeichnet sind, garantieren diesen hohen ökologischen Standard.

Auch Recyclingpapier ist holzhaltig, denn als Rohstoff dienen alle Altpapiere, egal ob holzhaltig oder holzfrei. Bei der Herstellung werden allerdings signifikant geringere Mengen Wasser und Energie als bei der Herstellung von Frischfaserpapier benötigt. Dazu eine kleine Rechnung: Angenommen ein Büromitarbeiter druckt im Schnitt täglich 25 Seiten aus. Verwendet dieser Mitarbeiter Recycling- statt Frischfaserpapier, könnte er mit der eingesparten Energie etwa acht Kannen Kaffee kochen. Das freut die Belegschaft! Laut der „ Initiative Pro Recyclingpapier“ sparen sechs Blatt außerdem einen Liter Wasser. Insgesamt werden bei der Herstellung circa 70 Prozent weniger Wasser und 60 Prozent weniger Energie gegenüber Frischfaserpapier eingesetzt. Mehr noch: Eine Tonne Recyclingpapier spart im Vergleich zum Frischfaserpapier aus Zellstoff die Menge an CO2 ein, die ein durchschnittliches Auto auf rund 1.000 Kilometern ausstößt.

 

Titelbild: Jace & Afsoon on unsplash


Autor/-in

Valerie Bachert

Valerie Bachert ist Journalistin, Chefin vom Dienst und Nachhaltigkeits-Beauftragte. Ihr Interesse gilt den Bereichen ökologischer Landbau, bewusster Konsum, Artensterben, soziale Ungerechtigkeit und nachhaltige Ernährung.

Beiträge von Valerie Bachert


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