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„Zwei Millionen Mitarbeiter“ für sauberes Wasser

Steinbeis Papier betreibt eine eigene vollbiologische Kläranlage, mit der das gesamte Abwasser des Unternehmens mit dem heutigen Stand der Technik gereinigt wird. Die Anlage ist voll automatisiert und wird mittels eines Prozessleitsystems gesteuert. Foto: Steinbeis Papier

07.09.2021 - Kreislaufwirtschaft bei Steinbeis Papier bedeutet Kreisläufe auf vielen Ebenen. So auch beim Einsatz der Ressource Wasser. Die unternehmenseigene vollbiologische Kläranlage in Glückstadt leistet hier einen wichtigen Beitrag, dass der Elbe auch nach intensiven Produktionszyklen sauberes Wasser zugeführt wird. Die gelernte Papieringenieurin Kathrin Willich ist hier Leiterin. Sie erklärt im Interview, wie in technisch komplexen Abläufen und mit zwei Millionen stummen Mitarbeitern“ die Natur zur Wasseraufbereitung imitiert wird. 

Frau Willich, was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Ich bin an Technik und Technologie interessiert. Die Abwasseraufbereitung hat für mich einen besonderen Reiz und ist auch etwas Persönliches: Die Möglichkeit zu haben, aus schmutzigem wieder sauberes Wasser zu machen, das man der Natur guten Gewissens zurückgeben kann – das finde ich eine tolle Sache.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Ich habe bei Steinbeis Papier zwei Hauptaufgaben. Zum einen bin ich Leiterin der Kläranlage und zum anderen Sicherheitsfachkraft. Quasi zwei Funktionen, die ich in meinen Arbeitsalltag integrieren muss. Zunächst kümmere ich mich um die Kläranlage, weil die rund um die Uhr läuft. Ich schaue dann in das Schichtbuch, um zu erfahren, wie die Maschinen nachts gearbeitet haben. Bei einem Defekt spreche ich mit dem Anlagenfahrer, ob er eine mögliche Reparatur veranlasst hat. Mehrmals in der Woche gibt es Konferenzen mit verschiedenen Technikern, in denen wir besprechen, welche Arbeiten primär angegangen und welche bezüglich Abschaltung von Maschinen nachrangig behandelt werden. Als Sicherheitsfachkraft übernehme ich eine beratende Funktion. Wenn Kollegen etwas im Werk verändern möchten, treten sie an mich heran und fragen hinsichtlich Sicherheitsbedenken und Vorschriften. Ich muss mich natürlich auch konkret kümmern, wenn ein Unfall passiert ist. Die kommen aber nicht allzu oft vor.

Dank des Prozessleitsystems und der dazu mitgelieferten Software kann sich Kathrin Willich von jedem digitalen Endgerät und jedem Ort aus einwählen und die gesamte Anlage überwachen und steuern. Foto: Jeremy Bishop/Unsplash, Steinbeis Papier

Wie automatisiert ist Ihr Arbeitsplatz?

Ich habe konkret zwei Mitarbeiter. Einer ist Anlagenfahrer und ein weiterer Laborant. Beide Kollegen arbeiten vor Ort und gehen auch die Anlage in regelmäßigen Abständen ab. Hauptsächlich spielt sich die Arbeit aber am Rechner ab. Die Kläranlage wird wie die Produktion mittels eines Prozessleitsystems überwacht. Das ist so weit automatisiert, dass ich das System hier aus meinem Büro bedienen kann. Mit einem Mausklick schalte ich Pumpen an und ab. Das System ist sogar Homeoffice-kompatibel. An meinem mobilen Rechner lassen sich Daten überwachen und gegebenenfalls Prozesse in der gesamten Anlage steuern und anpassen.

Welche Aufgabe hat die Kläranlage?

Zunächst ziehen wir der Elbe sogenanntes Rohwasser ab und stellen es der Papierfabrik leicht aufbereitet als Betriebswasser zur Verfügung. Als nachhaltiges Unternehmen hat Steinbeis Papier an jeder Papiermaschine und Altpapierverarbeitung kleine Wasseraufbereitungen, die belastetes Prozesswasser für die Produktion wiederverwendbar machen. In der Kläranlage landet nur das Wasser, das man definitiv nicht wieder einsetzen kann. In der Anlage passiert dann das, was in der Natur auch passieren würde. Nährstoffe, Schadstoffe und entsprechende Temperaturen bedingen die Bildung von Bakterien. Diese Organismen verbrauchen extrem viel Sauerstoff beim Abbau von Schadstoffen, der anderen Organismen wie Fischen so vorenthalten bleibt. Deshalb wird dieser Prozess in einen technischen vorverlagert. Mit einer akzeptablen Belastung gibt unsere Kläranlage das Wasser dann wieder in die Elbe ab.

Dieses Pantoffeltierchen ist einer von zwei Millionen Mitarbeitern in der Kläranlage von Steinbeis Papier. Mikroorganismen wie diese bauen nach dem Vorbild der Natur die organischen Belastungen im Abwasser ab. Foto: Josh Grosse/wikimedia commons (CC BY-SA 3.0)

Mit welchen Herausforderungen werden Sie in Ihrem Aufgabenbereich konfrontiert?

Wir reden hier von einer biologischen Kläranlage, in der wir Organismen erzeugen – Bakterien, Viren und Pilze gehören dazu –, die dann direkt die Schadstoffe angreifen. Aber wie das so mit der Biologie ist, sie reagiert nicht immer sofort auf Knopfdruck. Da müssen die Umgebungsbedingungen schon stimmen. Die Schadstoffbelastung im Abwasser schwankt je nachdem, welches Papier mit welchem Weißgrad wir gerade herstellen. Darauf muss sich die Biologie einstellen. Und da komme ich mit meinen Mitarbeitern ins Spiel: Sauerstoff, Nährstoffe, Temperatur und andere Parameter müssen immer wieder gemessen und angepasst werden. Aus unseren Messungen berechnet das Prozessleitsystem, welche Nährstoffmenge unsere Biologie braucht und passt sie an. Diese Prozesse sind komplex. Sie erfordern sowohl Theorieverständnis als auch praktische Erfahrungen. Und darin besteht die Herausforderung, denn die Biologie reagiert nicht immer erwartungsgemäß. Die Ansprüche an die Qualität des gereinigten Abwassers bleiben aber hoch.

Welche Faktoren spielen bei der Wasseraufbereitung noch eine Rolle?

Temperatur – das Wasser aus der Produktion kann mehr als 40 Grad betragen. Die Abbauleistung der Biologie wird ab dieser Temperatur eingeschränkt oder gar ganz eingestellt. Gerade in Sommermonaten müssen wir dann das Wasser herunterkühlen. Bei der Biomasse kommt es aber auch auf die zur Verfügung stehende Menge an. Wir reden ja hier nicht von einem Bakterium, sondern von zwei Millionen stummen Mitarbeitern.

Das gereinigte Wasser wird nach dem Prozess der Elbe und damit dem natürlichen Kreislauf zugeführt. Der Kläranlagenschlamm als Abfallprodukt wird entwässert und zur Hälfte verbrannt. Die andere Hälfte geht an Ziegeleien, die daraus wieder neue Baustoffe erzeugen. Foto: Steinbeis Papier, Hannes Grobe/wikimedia commons (CC BY-SA 2.5)

In welcher Qualität und wie viel Wasser wird der Produktion zugeführt? 

Das Wasser aus der Elbe hat jetzt keine Trinkqualität, was aber auch für den Prozess nicht notwendig ist. Es werden aber Schmutzpartikel so weit herausgefiltert, dass die sensiblen Düsen in der Produktion nicht verstopfen. Was die Menge angeht, so benötigen wir bei Steinbeis Papier für die Herstellung unserer Recyclingpapiere deutlich weniger frisches Wasser als bei der Herstellung vergleichbarer Papiere aus Primärfasern. Der kumulierte Frischwasserbedarf liegt bei 8,2 Kubikmeter-Tonnen am Tag. Im Vergleich: Eine Primärfaserproduktion setzt circa 52,2 Kubikmeter-Tonnen am Tag ein.

Was passiert mit entstehenden Abfallprodukten in der Kläranlage?

Bei uns fallen letztendlich Kläranlagenschlamm und Schlamm aus der Produktion an, die mittels Pressen entwässert und zur Hälfte verbrannt werden. Die andere Hälfte geht weiter an Ziegeleien, die daraus Baustoffe herstellen. Also findet sich im weiteren Sinne Schlamm aus der Produktion von Steinbeis Papier an und auf einer Vielzahl von Gebäuden in der Region wieder.

Was halten Sie der These entgegen, dass Wasser eine unendliche Ressource sei?

Vielleicht kann man sagen, dass Wasser eine unendliche Ressource ist. Viel wichtiger ist die Wasserqualität. Wasser ist ein riesiger Teil des Lebenszyklus. Der Mensch besteht zu rund 70 Prozent aus Wasser. Im Zuge der Industrialisierung hat sich die Qualität weltweit massiv verschlechtert. Natürlich sollten wir deshalb überlegt und schonend mit dieser Ressource umgehen, um uns und den nachfolgenden Generationen diese Lebensader zu erhalten.

Wo sehen Sie Herausforderungen hinsichtlich möglicher Wasserknappheit in der Zukunft?

Wir müssen uns ganz grundsätzlich dazu Gedanken machen, wie wir Ressourcen wiederverwenden oder weniger verbrauchen. Beim Wasser natürlich genauso. Bei Siedlungsplanungen beispielsweise müssen Ideen miteinfließen, dass nicht mehr über eine weit entfernte Kläranlage Wasser aufbereitet, sondern vielmehr innerhalb dieses Systems zum Beispiel eine Pflanzenkläranlage integriert wird. Zunächst trennt man flüssige und feste Bestandteile des Abwassers. Die flüssigen werden für Haushaltszwecke wiederaufbereitet und der Feststoff dem Kompost zugeführt. In Hamburg gibt es dazu schon Projekte, die ich interessiert verfolge.

Wie sieht Ihre persönliche Biografie bei Steinbeis aus?

Ich bin gebürtig aus Thüringen und ein echtes Wendekind. Ich hatte dann 1991 das große Glück, bei Steinbeis Papier meine Ingenieursarbeit schreiben zu können und in Folge in den Bereichen Forschung und Entwicklung anzufangen. Nach unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen bei Steinbeis Papier und einem Exkurs in eine andere Branche konnte ich mich dann ab 2013 als Leiterin der Kläranlage etablieren. Ich fühle mich Steinbeis sehr verbunden, nicht nur durch die jahrelangen Bekanntschaften mit Kolleg:innen, sondern auch, weil ich mich sehr gut mit dem Produkt identifizieren kann – Recyclingpapier, das aus 100 Prozent Altpapier hergestellt wird und das mit diversen Umweltzertifikaten versehen ist. Darüber kann ich stolz berichten und behaupten, Teil dieses Erfolgsprojekts zu sein. Nicht zuletzt hat sich Steinbeis Papier mit seiner Strategie und seinen Produkten am Markt behauptet und führt ihn europaweit an.

 

Titelbild: Steinbeis Papier


Autor/-in

Benjamin Seibring

Benjamin Seibring ist Redakteur für die Bereiche Lifestyle und Mobilität. Er interessiert sich zudem für Kulturthemen mit den Schwerpunkten Musik, Film und Medienanalyse.

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