Unternehmen

Tradition bewahren, Neues wagen

23.04.2024 – Marc Gebauer betritt als neuer Geschäftsführer von Steinbeis Papier die Bühne des Unternehmens. Seine ersten Schritte in Glückstadt, dem neuen Zentrum seiner beruflichen Reise, sind von einem tiefen Verständnis für die strategischen Herausforderungen von Europas Marktführer für Recyclingpapier geprägt. Mit einem klaren Blick auf die Vergangenheit und einem ehrgeizigen Ziel, Steinbeis Papier in eine Zukunft des Wachstums und der Nachhaltigkeit zu führen, steht Marc Gebauer vor der Aufgabe, das Erbe seines Vorgängers zu bewahren und gleichzeitig neue Akzente zu setzen.

 

Wie ist Ihr erster Eindruck von Glückstadt als neue Wirkungsstätte?

Mein Leben in Glückstadt findet aktuell überwiegend auf unserem Fabrikgelände und in den Büroräumen statt. Und die paar Stunden, die ich außerhalb unseres Werksgeländes in Glückstadt verbracht habe, waren entweder bei Geschäftsessen in den ansässigen Lokalen, im Supermarkt oder im Fitnessstudio. Das heißt, die meisten Kilometer, die ich mich in Glückstadt bewegt habe, waren vermutlich die, die ich im Fitnessstudio auf dem Laufband abgespult habe. Meine Begegnungen mit Glückstädtern beschränken sich daher überwiegend auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich vom ersten Tag an mit sehr offenen Armen empfangen haben. Und ich bin sehr positiv angetan von deren Freundlichkeit und der hohen Identifikation mit dem Unternehmen, sodass ich mich vom ersten Tag an heimisch gefühlt habe.

Mussten Sie Ihren Wohnort für die neue Stelle ändern?

Ja, tatsächlich bin ich in das Häuschen meines Vorgängers Ulrich Feuersinger gezogen, das er zuvor gemietet hatte. Es fühlt sich ein wenig so an, als hätte ich nicht nur seinen Job und sein Büro übernommen, sondern auch sein Zuhause. Aber die Zeit des Nehmens ist nun vorbei, und es beginnt sozusagen die Zeit des Gebens, sprich es wird Zeit, dass ich in Form von neuen Impulsen, Ideen und positiven Ergebnissen zurückzahlen kann. Darauf freue ich mich sehr. Am Wochenende pendle ich aber meistens zurück nach Hause ans Steinhuder Meer in Niedersachsen. Dort habe ich mit meiner Frau ein Haus direkt am See, in das es auch meine erwachsenen Kinder am Wochenende oftmals zurückzieht.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke im Unternehmen?

Ich kenne Steinbeis Papier seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn aus unterschiedlichen Perspektiven, zuerst aus Wettbewerbssicht und später viele Jahre in meiner Zeit bei Lyreco aus der Sicht eines Kunden. Und dabei sind mir drei Dinge bei Steinbeis und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit denen ich Berührungspunkte hatte, besonders aufgefallen: die hohe Professionalität und Leidenschaft in der Kommunikation und im Umgang untereinander und mit Partnern sowie eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen und den Produkten. Und dieser Eindruck, den ich von außen bereits hatte, hat sich im Innenerlebnis nicht nur bestätigt, sondern verstärkt. Überrascht war ich von der Komplexität der Produktionsprozesse und dem Einfluss politischer Entscheidungen, besonders im Bereich Energie und Entsorgung. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, dass Steinbeis Papier in diesen Feldern sehr gut aufgestellt ist. 

Was macht Steinbeis Papier so besonders?

Die lange – und das sage ich bewusst – Familientradition. Es zählen nicht der schnelle Euro und eine kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern ganz im Gegenteil, es geht um eine – und das im doppelten Sinne – nachhaltige Geschäftsentwicklung. Die Steinbeis-Familie führt ihr unternehmerisches Erbe seit fünf Generationen fort und betrachtet die Unternehmensgruppe auch immer als Beitrag zur Gesellschaft. Zudem investiert Steinbeis langfristig und konsequent in den Standort, um seine Kostenführerschaft zu erhalten. Frühzeitiges Engagement in strategischen Bereichen wie Nachhaltigkeit zeigt das besondere Unternehmensprofil. Dabei ist Steinbeis für die Gesellschafter auch gemeinsamer Ankerpunkt, gemeinsames verbindendes Thema. Damit sind die jährlich stattfindenden Gesellschaftertreffen immer auch Familientreffen. Das hat mich sehr beeindruckt und macht Steinbeis zu etwas ganz Besonderem.

Papier hilft mir dabei, meine Gedanken zu verdichten und mich zu fokussieren.

Marc Gebauer, Geschäftsführer Steinbeis Papier
Steinbeis Papier in Glückstadt – das ist die Wirkungsstätte des neuen Geschäftsführers Marc Gebauer. Der 55-Jährige will Europas Marktführer für Recyclingpapier in die nächste Epoche führen, die ebenso viele Herausforderungen wie Möglichkeiten bereithält. Foto: Florian Thoss für Steinbeis Papier

Was hat Sie dazu bewogen, die Stelle des Geschäftsführers bei Steinbeis Papier anzunehmen?

Neben der hohen Werteorientierung und dem Pioniergeist, der sich in dem Leitgedanken ZUKUNFT NEU DENKEN wiederfindet, war es die Langfristigkeit der Aufgabe bei Steinbeis Papier, die für mich persönlich den Ausschlag gegeben hat. Meine Ambitionen und Stärken liegen darin, Unternehmen, ihre Kultur und ihre Mitarbeitenden nachhaltig zu prägen, was nur möglich ist, wenn man langfristig im Unternehmen tätig ist. Dies ist mir vor allem in den 20 Jahren bei Lyreco gelungen. Die darauffolgende Station, Amazon, war einfach zu groß, um dies zu erreichen. Bei Steinbeis Papier sehe ich wieder die Möglichkeit, langfristig und nachhaltig zu wirken. Zusätzlich finde ich das Produkt Papier äußerst attraktiv. Papier ist für mich schon immer mehr als ein reines Arbeitsmittel gewesen. Papier unterstützt mich dabei, meine Gedanken zu verdichten und mich zu fokussieren. Es sorgt für Klarheit und hilft mir, mich zu sammeln. Papier ist wahrscheinlich das Produkt, mit dem ich mein Leben lang am häufigsten interagiert habe, daher passt es auch so gut zu mir.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Geschäftsführer und die damit verbundenen Aufgaben?

Aktuell versuche ich den Spagat, mir die komplexen Aspekte des Geschäfts möglichst schnell anzueignen, zu verstehen und zu verinnerlichen, und trotzdem zu versuchen, mir gleichzeitig einen frischen Blick von außen zu bewahren. Mein Anspruch ist es, die Papierindustrie ein wenig durchzuschütteln und auf die Veränderungen in unserem Markt zu reagieren. Ein Beispiel dafür ist die Produktdiversifizierung, die uns derzeit ja schon beschäftigt. Zudem müssen wir eine neue Balance zwischen einem kostengetriebenen Ansatz bei gleichzeitigem Fokus auf den Produktnutzen etablieren, um höhere Erlöse zu erzielen. Eine weitere Stellschraube ist es, eine neue, noch mutigere Unternehmenskultur zu etablieren. Wir wollen eine Umgebung schaffen, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und Fehler als Teil des Lernprozesses betrachten können. Dies erfordert eine offene Fehlerkultur und Führungskräfte, die damit umgehen können. Zudem bewegen wir uns in einem Markt, der schrumpft. Jetzt gilt es, Wachstumspotenziale zu identifizieren und zu nutzen. Dabei ist auch das Thema Rohstoffsicherung, also Altpapier in der nötigen Quantität und Qualität, von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Aufrechterhaltung unserer Kostenführerschaft.

Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Unsere strategischen Herausforderungen im Kostenmanagement lassen sich in drei zentrale Bereiche unterteilen. Zunächst streben wir nach einer konsequenten Kostenoptimierung und Effizienzsteigerung durch Investitionen in Kosteneinsparungsinitiativen und Technologien. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Bewusstseinsbildung und der Steigerung der Kostentransparenz unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um eine kontinuierliche Suche nach Einsparungsmöglichkeiten zu fördern. Schließlich setzen wir auf ein verantwortungsvolles Preismanagement und Investitionen in Projekte zur Sicherung hochwertiger Rohstoffquellen, insbesondere von Altpapier. Wir sind entschlossen, diese Herausforderungen anzugehen und strategische Impulse zu setzen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und weiter auszubauen.

Nur was du würdigst, kannst du verwandeln.

Marc Gebauer, Geschäftsführer Steinbeis Papier
Die Einführung der Produkte Steinbeis Label Wet und Label Dry ist erst der Anfang. Marc Gebauer sieht großes Potenzial in der Diversifizierung des Produktangebots sowie in digitalen Dienstleistungen, ohne dabei das Erfolgskerngeschäft mit grafischen Papieren aus den Augen zu verlieren. Er strebt eine ausgewogene Strategie an, die Innovation und Kundennutzen in allen Geschäftsbereichen fördert. Fotos: Steinbeis Papier

Inwiefern setzen Sie den Kurs von Ulrich Feuersinger fort?

Die Fußstapfen von Ulrich Feuersinger sind zugegebenermaßen sehr groß. Er hat das Unternehmen erfolgreich durch schwierige Zeiten navigiert und dabei eine starke strategische Ausrichtung aufgebaut, die ein starkes und solides Fundament bildet. Sein Fokus auf die Entwicklung eines starken Markenkerns und die hohe Markenbildung im Bereich der Büropapiere haben eine sehr gute Basis geschaffen, auf der wir weiter aufbauen müssen. Dennoch bin ich nicht einfach ein Feuersinger 2.0, sondern habe meinen eigenen Stil und meine eigenen Stärken, die ich gezielt für Steinbeis Papier einsetzen möchte. Wichtig dabei ist allerdings, das richtige Tempo einzuschlagen. Ich will Steinbeis nicht innerhalb von zwei Jahren von links auf rechts drehen. Vielmehr gilt es, die mehr als 100-jährige Tradition mit in die Zukunft zu transferieren, denn diese ist der Kern unserer DNA. Dabei helfen mir die systemischen Gesetzmäßigkeiten, die in meinem Leben eine große Rolle spielen. Eine davon besagt: Nur was du würdigst, kannst du verwandeln. Diesen Grundsatz möchte ich nutzen, um das Erbe von Ulrich Feuersinger und seinen Vorgängern zu würdigen und gleichzeitig Steinbeis erfolgreich weiter in die Zukunft zu führen.

Wo wollen Sie eigene Akzente setzen?

Aktuell ist Nachhaltigkeit noch das Transportmittel, um unser Papier zu verkaufen. Ich glaube, das wird sich drehen: Papier wird eines von verschiedenen Transportmitteln sein, um künftig Nachhaltigkeit zu verkaufen. Dabei wird Papier für uns aber auch langfristig die wichtigste und größte Bedeutung einnehmen. In diesem Zuge müssen wir das Thema Kreislaufwirtschaft noch ganzheitlicher denken und verkaufen. Wenn es uns gelingt, die Power der einzelnen Schwesterunternehmen der Steinbeis-Holding noch mehr zu bündeln und gemeinsam auf die Straße zu bringen, wird uns das einen zusätzlichen Boost verschaffen. In meiner neuen Rolle bei Steinbeis Papier sehe ich darüber hinaus zwei weitere Bereiche, in denen ich Akzente setzen möchte. Erstens ist da die digitale Transformation, die eine Anpassung unseres Geschäftsmodells erfordert. Wir müssen neue Vertriebswege erschließen, digitale Dienstleistungen ausbauen und unsere Produkte in einer zunehmend digitalisierten Welt positionieren. Dies beinhaltet auch die Reduzierung der Abhängigkeit von traditionellen Papieranwendungen und die Erschließung neuer Märkte. Zweitens strebe ich an, das Produktsortiment von Steinbeis Papier zu diversifizieren und neue Produkte zu entwickeln, insbesondere im ungestrichenen Bereich und im Bereich Etiketten. Durch die Erweiterung unseres Angebots können wir die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden besser abdecken und gleichzeitig neue Umsatzpotenziale erschließen. Während wir diese neuen Ansätze verfolgen, ist es mir wichtig zu betonen, dass wir unser Kerngeschäft als Papiermacher nicht vernachlässigen werden. Steinbeis Papier hat eine lange Tradition in der Herstellung hochwertiger Recyclingpapiere, und diese ist ein wesentlicher Bestandteil unserer DNA, die es zu bewahren gilt. Wir werden weiterhin auf Nachhaltigkeit setzen und unsere Position als verlässlicher Anbieter von umweltfreundlichen Papierprodukten stärken.

Wie sieht Ihre Nachhaltigkeitsstrategie aus?

Unsere Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet derzeit eine intensive Auseinandersetzung im Bereich der Umweltbewertung des Unternehmens und unserer Produkte. Wir nutzen Bewertungsmethoden wie Carbmee, um unsere eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen zu verbessern und transparenter zu gestalten. Als Vorreiter in der Papierindustrie streben wir an, eine führende Rolle in Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz einzunehmen, insbesondere in Bezug auf Transparenz. Wir möchten nicht nur unsere Umweltauswirkungen minimieren, sondern auch andere Unternehmen dazu anregen, verantwortungsvoller mit Ressourcen und Umweltfragen umzugehen.

Und wie sieht es mit Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Arbeitskultur aus?

Genau die ist für uns von zentraler Bedeutung, besonders angesichts des Fachkräftemangels und der Notwendigkeit, junge Talente langfristig zu binden. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Unternehmenskultur authentisch bleibt und unsere Werte widerspiegelt. Flexibilität ist wichtig, aber wir legen auch Wert darauf, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne ins Büro kommen, um die gemeinsame Unternehmenskultur zu leben und zu erleben. Wir setzen uns dafür ein, Distanzen abzubauen und Nähe zu schaffen, um den Teamgeist und die Transparenz zu fördern. Vieles von dem spiegelt sich bereits in unseren Grundsätzen der Führung und Zusammenarbeit wider: WIR ALLE SIND UND LEBEN STEINBEIS. Daran gilt es festzuhalten und jeden Tag von Neuem mit Leben zu füllen. Außerdem verfügen wir über eine überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote und investieren in die Entwicklung unserer Fachleute, um langfristige Perspektiven zu bieten und die Führungskräfte von morgen zu fördern.

Wo sehen Sie Steinbeis Papier und sich selbst in zehn Jahren?

Steinbeis steht schon immer für Verlässlichkeit und Kontinuität, auch und vor allem in der Führung. Insofern möchte ich gerne die nächste Dekade prägen, so, wie dies meine Vorgänger Franz Winterer, Michael Söffge und zuletzt Ulrich Feuersinger erfolgreich getan haben. Als CEO von Steinbeis Papier sehe ich meine Aufgabe also darin, diese Verlässlichkeit und Kontinuität des Unternehmens zu wahren und gleichzeitig sicher in die Zukunft zu führen und weiterzuentwickeln. Unser Fokus liegt dabei auf mehreren Schlüsselbereichen. Zum einen streben wir nach einem zusätzlichen digitalen Standbein, um unser Portfolio zu erweitern und unsere Markenbekanntheit weiter zu steigern. Dabei geht es nicht nur um Papier, sondern auch um die Förderung von Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Wir möchten unsere Produkte und Marken so positionieren, dass sie für unsere Kunden wichtiger werden als der Preis. Dies erfordert Mut und Investitionen in Produktqualität und -nutzen, insbesondere in einer zunehmend digitalisierten Welt. 

Wie sieht Ihre persönliche Nachhaltigkeitsagenda aus?

Meine persönliche Nachhaltigkeitsagenda konzentriert sich vor allem auf den Auf- und Ausbau nachhaltiger Beziehungen und Partnerschaften – und das im geschäftlichen wie auch im privaten Umfeld. Nachhaltigkeit hat für mich persönlich immer auch etwas mit langfristigem Engagement für eine Sache oder ein Unternehmen zu tun. Defizite habe ich allerdings noch bei einer nachhaltigen Ernährung: Während ich im Familienkreis ausschließlich von Vegetariern umgeben bin, nutze ich die Zeit allein in Glückstadt, um heimlich das eine oder andere Stück Wurst oder Fleisch zu konsumieren. Aber ich verspreche, ich werde mich bessern. 

 


Titelbild: Steinbeis Papier


Autor/-in

Benjamin Seibring

Benjamin Seibring ist Redakteur für die Bereiche Lifestyle und Mobilität. Er interessiert sich zudem für Kulturthemen mit den Schwerpunkten Musik, Film und Medienanalyse.

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