Ökologie & Gesellschaft

Das Klima isst mit

Die Drachenfrucht wird in Europa nicht angebaut. Zu speziell ist das geforderte Klima. Wer sie genießen will muss den langen Transport aus Kolumbien oder Israel in Kauf nehmen. Foto: stokpic on pixabay

25.06.2019 - Ressourcen werden knapper, Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle. Auch im Büro. In unserer Reihe Green Office zeigen wir, wie Sie mit wenigen Kniffen Ihren Büroalltag nachhaltiger gestalten. Dabei können kleine Veränderungen einen großen Einfluss haben. Das ist nicht nur gut für die Ökobilanz, sondern kann, je nach Themenfeld, sogar Ihre Betriebskosten senken. 

Nachhaltiges Catering heißt über den Tellerrand hinausschauen

Beim privaten Einkauf achten viele darauf: saisonal, regional und fair produziert – das lässt sich ohne Weiteres auch auf die Zutaten des Caterings übertragen. Egal ob der allmorgendliche Kaffee, der Statustermin, die Weihnachtsfeier oder das Großevent – ein umweltbewusstes Catering fängt bei den servierten Lebensmitteln an.

Ein weiter Weg

Kiwano, Loquat, Rambutan – schon mal gehört? Kumquat, Pomelo, Süßkartoffel vielleicht ja. Die kennen Sie aber garantiert: Banane, Pfirsich und Tomate. Der Import exotischer Lebensmittel ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Während viele Exoten schon lange „Greencards“ erhalten haben, können andere in unseren Breitengraden nicht angebaut werden. Zu kalt, zu windig, zu nass.

Damit wir dennoch in ihren Genuss kommen, werden sie importiert. Meist auf dem Seeweg. Eine Ananas aus Costa Rica braucht bis zu 25 Tage in die europäischen Häfen. Äpfel und Kiwis aus Neuseeland etwa fünf Wochen. In der Zeit müssen die Früchte kühl und feucht gelagert werden, damit der Reifeprozess stoppt. Das kostet Energie und damit Ressourcen.

Die EU ist der weltweit größte Tomatenproduzent. Auch hier in Deutschland ist ihr Anbau möglich. Deshalb beim Catering darauf achten, wo die Zutaten herkommen. Hier können eine Menge Emissionen gespart werden. Gleiches gilt für Möhren, Gurken, Salat, Radieschen usw. Foto: Sven Scheuermeier on unsplash

Die meisten Containerschiffe auf den Ozeanen fahren außerdem noch immer mit Schweröl, einem billigen Reststoff aus der Raffinerie-Produktion. Die enthaltenen und ungefiltert freigesetzten Schadstoffe in den Schweröl-Abgasen wie Schwefel und Stickoxide sowie Rußpartikel und Feinstaub belasten die Umwelt. Auf den Ozeanen ebenso wie in den Küstenregionen. Laut Naturschutzbund Deutschland e.V. (Nabu) sterben jedes Jahr in Europa circa 50.000 Menschen frühzeitig infolge von Schiffsemissionen.

Dazu wird das Schweröl an Bord der Schiffe energieintensiv aufbereitet: Erst erhitzt, dann von Feststoffen gereinigt, werden die entstandenen Rückstandsschlämme („Sludge“) teilweise noch immer illegal ins Meer gepumpt.

Vielleicht dann doch lieber die Flugmango? Manches exotische Obst gelangt fast ausschließlich auf dem Luftweg zu uns. Zum Beispiel rund 90 Prozent der Papayas. Mit dem Flieger werden allerdings 170-mal so viele Emissionen verursacht wie mit dem Schiff. Keine nachhaltige Alternative also.

Süße Früchte mit bitterem Beigeschmack

Die Transportwege sind das eine, der Anbau und die damit verbundenen Umweltkosten das andere. Zum Beispiel die Avocado: Dank ihrer ernährungsphysiologischen Werte ist sie zum Inbegriff einer bewussten Ernährung geworden. Ökologisch ist sie allerdings fragwürdig. Nach Recherchen der „Zeit“ fließen für ein Kilogramm Avocados 1.000 Liter Wasser. Für zweieinhalb Stück. Und das in Regionen, wo Wasser oftmals generell rar ist. Zum Vergleich: Für ein Kilogramm Tomaten müssen es im globalen Schnitt gerade einmal 180 Liter sein. Hinzu kommt der Anbau in Monokulturen. „Pro Jahr werden 1500 bis 4000 Hektar Wald gerodet, um Platz für Avocado-Felder zu schaffen“, so Jaime Navia von der mexikanischen Agrar- und Umweltorganisation Gira.

Wie kann nun die Umweltbelastung der servierten Lebensmittel reduziert werden?

Statt der Exoten können regionale Alternativen gewählt werden. Ein gutes Beispiel dafür, dass die meist die bessere Wahl sind: das vermeintliche Superfood Chia. Das Pseudogetreide wird heute in mehreren Ländern Südamerikas und in Australien angebaut. Die Alternative: Lein. Ernährungsphysiologisch kaum zu unterscheiden und heimisch. Warum also weiterhin zu Chia greifen?

Saisonal ist das Zauberwort

Eine weitere Frage: Müssen Produkte, die bei uns in den Sommermonaten heimisch sind, im Winter auf der Speisekarte stehen? Früher war der Blick in den Saisonkalender beim Einkauf selbstverständlich: Die Spargelsaison reicht traditionell von Mitte bis Ende April bis zum 24. Juni. Erdbeeren gibt es im Sommer, etwa zwischen Mai und August.

Rinder setzen bei der Verdauung der ihrer Nahrung reichlich Methan frei – im Jahresdurchschnitt über 100 Kilogramm. In der klimaschädigenden Wirkung entspricht dies einem CO2-Ausstoß von 18.000 gefahrenen Autokilometern. Hinzu kommen die Ausscheidungen einer Kuh: 90 weitere Kilogramm Methan pro Jahr. Das Problem für die Umwelt: Methan ist für das Klima 25-mal schlimmer als CO2. Foto: Annie Spratt on unsplash

Dass heute beinahe jedes Obst und Gemüse ganzjährig verfügbar ist, machen Unterglasanbau, schnelle Transportmittel und eine ausgefeilte Lagertechnik möglich. Damit haben Lebensmittel, die auch bei uns zu bestimmten Jahreszeiten geerntet werden können, eine ähnlich schlechte Klimabilanz wie die bereits angesprochenen Exoten. Denn damit das Weihnachtsessen von einem Erdbeer-Mascarpone-Dessert gekürt werden kann, müssen die Früchte importiert werden. Ebenso wie Papaya und Ananas. Das gilt auch für Pflaumen aus Südafrika, Zucchini aus Italien, Kartoffeln aus dem Sudan.

Für ein nachhaltiges Catering greifen Sie stattdessen lieber in den saisonalen Obstkorb. Oftmals können Sie Regionalität förmlich schmecken, denn die Pflanzen konnten vor der Ernte und dem Verkauf voll ausreifen. Durch den Kauf beim Bauern nebenan sparen Sie außerdem nicht nur CO2-Emissionen und schonen die Umwelt: Sie unterstützen damit auch die regionale Wirtschaft und den lokalen Handel.

Pflanze statt Fleisch

Für die Produktion von Fleisch braucht man Platz – für die Haltung der Tiere und die zur Ernährung angebauten Pflanzen. Um in Deutschland den Hunger nach Fleisch zu stillen, sind fast 19 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche nötig – mehr als hierzulande an Ackerland insgesamt zur Verfügung steht.

Aquakulturen versprechen die Lösung für das Problem der Überfischung. Doch sie bringen auch viele Nachteile mit sich: Fast immer setzen die Züchter Medikamente ein, Gewässer werden überdüngt und durch Fischkot verschmutzt. Foto: iwaro on pixabay

Fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen, die mit unserer Ernährung zusammenhängen, sind auf den Konsum von Fleisch zurückzuführen. Der Konsum von pflanzlicher Kost macht dagegen nur ein Drittel aus. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „Klimawandel auf dem Teller“ des WWF. „Der Verzicht auf Schinkenbrötchen oder Hamburger ist aktiver Klimaschutz“, so auch Tanja Dräger de Teran, WWF-Referentin Klimaschutz und Ernährung.

Der erste Schritt ist deshalb, Speisen, die mit tierischen Lebensmitteln zubereitet werden, zu reduzieren und stattdessen eine Auswahl an veganen Gerichten zu wählen. Werden Speisen kombinierbar angeboten, zum Beispiel die Tomatensauce getrennt vom Hackbällchen, kann jeder selbst entscheiden. An anderer Stelle ist Fleisch ganz leicht ersetzbar: Maronen, ein scharf angebratener Portobello-Pilz oder ein Stück gut gewürzter Tofu.

Sounds fishy

Statt Fleisch lieber Fisch? Okay, da wären die Überfischung der Weltmeere, die Schleppnetze, die den Meeresgrund zerstören, das Verenden des viel zitierten und abstrakt benannten „Beifangs“. Meerestiere, die zu Dumping-Preisen verschachert werden, haben oft einen hohen ökologischen (und mehr als fragwürdigen ethischen) Preis.

Kein Problem bei Aquakultur – oder? Weit gefehlt. Um Fisch aus Aquakultur zu züchten, wird zusätzlich Wildfisch gefangen und verfüttert. Diese Fischereien sind oftmals nicht nachhaltig. Zudem können sich durch die offene Haltung vieler Tiere in Netzbecken im Meer Krankheiten aus der Farm leicht auf Artgenossen übertragen. Pestizide und Antibiotika, die hier eingesetzt werden, landen nicht nur im Fisch, sondern auch in der Umwelt.

Siegelkunde

Wollen Sie dennoch Fleisch oder Fisch beim Catering anbieten, achten Sie auf entsprechende Zertifizierungen, die nicht nur das Leben der Tiere zumindest etwas besser gestalten, sondern auch die Umwelt schonen. Gleiches gilt für exotisches Obst und Gemüse. Wird oft etwas als „grün“ deklariert, wo kaum Bio, Regionalität oder Nachhaltigkeit enthalten sind, helfen Zertifizierungen wie MSC, Fairtrade, Naturland, Bioland und Demeter bei der Einordnung.

Vom Plastiklöffel bis zum Kaffeebecher

Saisonale Snacks aus der Region mit Plastikbesteck von beschichteten Papptellern essen? Gleich nach den Lebensmitteln folgt beim nachhaltigen Catering die Wahl von Geschirr und Verpackungen. Allein 2017 wurden laut Erhebungen der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung über 105.500 Tonnen Müll durch To-go-Plastik produziert. Sicher ist: Mehrweg ist immer besser als Einweg. Das spart Müll und Energie, sowohl in der Produktion als auch in der Entsorgung – und damit wiederum Ressourcen.

Vielfach wird von Lieferanten Einwegbesteck als Serviceleistung mitgeliefert, obschon in der Firma eine voll ausgestattete Küche vorhanden ist. Kommunizieren Sie rechtzeitig, welche Leistungen nötig sind, damit unnötiger Müll vermieden werden kann. Übrigens: Laut Beschluss der Europäischen Union sind u. a. Besteck, Essstäbchen und Teller aus Plastik ab 2021 in der gesamten EU verboten. Ebenso Getränke- und Lebensmittelverpackungen aus aufgeschäumtem Plastik (Polystyrol) für Fastfood oder Obst. Auch wenn vielleicht der ein oder andere Caterer oder Lieferservice erst stutzt: Sie sind damit Vorreiter in einer Wende, die sowieso unausweichlich ansteht.

Mengenleere

Jeder von uns wirft pro Jahr mindestens 55 Kilogramm Lebensmittel weg – das ergab eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), 2017 gefördert durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Insgesamt landen in Privathaushalten 4,4 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, das sind täglich 150 Gramm pro Person. Damit der Berg nicht noch größer wird, gilt es bei der Planung eines Caterings von Beginn an Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Bleibt dennoch etwas übrig, bieten Sie die Mitnahme von Essensresten an – natürlich in nachhaltigen (Mehrweg-)Containern.

Das sind viele Informationen auf einmal. Kein Wunder, denn die Thematik ist vielschichtiger, als man zunächst annehmen würde. Sich dies bewusst zu machen und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen ist nötig, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verschlanken. Und es lohnt sich, denn hier ist mehr drin, als man denkt.

 

Titelbild: iwaro/pixabay


Autor/-in

Valerie Bachert

Valerie Bachert ist Journalistin, Chefin vom Dienst und Nachhaltigkeits-Beauftragte. Ihr Interesse gilt den Bereichen ökologischer Landbau, bewusster Konsum, Artensterben, soziale Ungerechtigkeit und nachhaltige Ernährung.

Beiträge von Valerie Bachert


Leider verwenden Sie einen veralteten Browser.
×
Unser Internetauftritt wurde auf Basis zeitgemäßer und sicherer Technologien entwickelt. Daher kann es bei der Nutzung eines veralteten Browsers zu Problemen bei der Darstellung und den Funktionalitäten kommen. Wir empfehlen Ihnen, einen anderen aktuellen und kostenlosen Browser zu nutzen:
Mozilla Firefox
Google Chrome
Microsoft Edge