Ökologie & Gesellschaft

Bio gut, alles gut?

„Man erntet, was man sät“. Dieser Spruch kommt nicht von ungefähr. Samen, Saat und Sorten sind jedoch zunehmend umkämpfte Güter, weil Agrarriesen den Markt mit genmanipulierter Ware anführen. Deshalb spielt die Saatgutreinheit im ökologischen Anbau eine besondere Rolle. Immer mehr Verbände und Landwirt:innen schließen sich deshalb zu Interessengemeinschaften zusammen, um ursprüngliche Pflanzen zu erhalten.4 Fotos: Clarence Alford/Pixabay, Hans Braxmeier/Pixabay

05.01.2021 - Bio-Produkte werden im Einklang mit der Natur hergestellt, oder? Was heißt das eigentlich? Und ist in allem, wo Bio draufsteht, auch wirklich Bio drin?

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird die Landwirtschaft immer industrieller. Mist wird ersetzt durch chemisch hergestellten Dünger. Flächendeckend eingesetzte Pestizide töten unerwünschtes Beikraut ab. Große Maschinen nehmen uns die schwere Arbeit ab. Die auf Leistung und Effizienz ausgerichtete konventionelle Landwirtschaft sieht auf den ersten Blick nicht schlecht aus: weniger Input, mehr Output. Doch die Wachstumsgebote der modernen Landwirtschaft lassen unter Nutzung immer intensiverer Anbaumethoden das ökologische Gleichgewicht außer Acht. Das führt bald zu ausgelaugten Böden und einer schwindenden Biodiversität. Was folgt: Erosion, Verdichtung und belastetes Grundwasser. Es müssen also andere Wege gefunden werden, um uns dauerhaft nachhaltig mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Und genau da kommt ökologischer Landbau ins Spiel.

Der Boden lebt!

Der Leitgedanke des ökologischen Landbaus ist das Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Dabei wird der landwirtschaftliche Betrieb wie ein großer Organismus mit den Bestandteilen Mensch, Tier, Pflanze und Boden gesehen. Alles greift ineinander und steht in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander, sodass das ökologische Gleichgewicht beibehalten wird. Um das zu gewährleisten, lauten die wichtigsten drei Grundsätze des ökologischen Landbaus1:

  • Die Bodenfruchtbarkeit erhalten: Im ökologischen Landbau dienen organische Materialien wie zum Beispiel Mist oder Kompost als Dünger. Sie sind, im Gegensatz zu mineralischem Dünger aus dem konventionellen Landbau, länger im Boden verfügbar und bieten ein komplexeres Nährstoffangebot für Bodenlebewesen und Pflanzen. 
  • Geschlossene Nährstoffkreisläufe anstreben: Alles, was der Betrieb braucht, wird selbst hergestellt – das Futter für die Tiere ebenso wie der Mist für die Felder. Auf Pflanzenschutz mit Pestiziden wird verzichtet. Stattdessen werden robustere Pflanzensorten in geeigneter Fruchtfolge angebaut und bei Bedarf Nützlinge ausgebracht, wie zum Beispiel Marienkäferlarven gegen Blattlausbefall.
  • Respekt gegenüber Lebewesen: Die Haltung und Aufzucht von Tieren wird viel stärker reglementiert als in der konventionellen Landwirtschaft. Auch Eingriffe am Tier und die medizinische Versorgung werden strikter kontrolliert. Medikamente dürfen nicht prophylaktisch verabreicht werden. Die Gabe von leistungsfördernden Substanzen und von Hormonen ist untersagt. Stattdessen sollen die Tiere durch vorbeugende Maßnahmen gesund gehalten werden.2 

Bio boomt

Auch wenn das Thema heute aktueller ist denn je: Neu ist die Idee des ökologischen Anbaus nicht. Bereits in den 1920er-Jahren entstanden erste Ansätze einer biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise.3 Die ersten ökologisch erzeugten Produkte gab es in Hofläden und Reformhäusern, später dann in den ersten Bioläden zu kaufen. Doch inzwischen ist Bio raus aus der Nische. Die Nachfrage nach Produkten aus dem ökologischen Anbau wächst stetig – und zwar durch alle Gesellschaftsschichten. Noch nie landeten so viele Bio-Lebensmittel im Einkaufskorb wie heute. Jeder Supermarkt hat inzwischen Bio-Eigenmarken im Programm. Selbst bei Discountern gibt es biologisch Angebautes und fair Produziertes zu kaufen. Eine positive Entwicklung, die aber auch Tücken mit sich bringt: Da sich mit Nachhaltigkeit gut Geld verdienen lässt, steckt leider nicht überall Bio drin, wo Bio draufsteht. Denn Begriffe wie „umweltgerecht“, „naturgedüngt“, „unbehandelt“ oder „kontrollierter Anbau“ haben zwar den Anschein, Bio zu sein, sind jedoch kein Nachweis für ökologische Erzeugung. Sie sind nicht geschützt und können von Unternehmen werbewirksam eingesetzt werden.

Links: Von Natur aus haben Kühe Hörner. In der konventionellen Landwirtschaft, und auch teilweise im ökologischen Landbau, werden diese entfernt – sie passen nicht zur Haltungsform. Statt jedoch der Haltungsweise wird einfach das Tier angepasst. Biodynamische Bauern bestimmter Anbauverbände lassen den Tieren ihre Würde und ersparen ihnen die Prozedur. Sie wissen: Hörner sind wichtig für die Kommunikation der Tiere. Eigentlich klar, Mutter Natur denkt sich die ja nicht umsonst aus.8 Rechts: Im Supermarkt erkennen Sie ökologische Lebensmittel am Label. Fotos: Chris Birk/Pixabay, susan susan/Unsplash

Erste Orientierung: EU-Bio

Um es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter zu machen, gibt es deshalb verschiedene Bio-Labels. Das bekannteste ist bisher das EU-Bio-Logo: Seit dem 1. Juli 2012 tragen es alle vorverpackten Biolebensmittel, die in einem EU-Mitgliedsstaat hergestellt worden sind. Dafür erfüllen diese Produkte gewisse Mindeststandards. Auf diese haben sich die EU-Staaten in der EG-Öko-Verordnung geeinigt. Sie gilt seit 1991 und wird stetig aktualisiert – das nächste Mal 2022.5 Sie schreibt vor, wie Lebensmittel produziert, kontrolliert nach Europa importiert und gekennzeichnet werden müssen. Alle Produkte, die der EG-Öko-Verordnung entsprechen, dürfen Bezeichnungen wie „biologisch“, „ökologisch“ oder ähnliche tragen. Auch Kombinationen wie „organisch-biologisch“ oder „kontrolliert biologischer Anbau“ sind erlaubt.

Da geht noch was

Die EG-Öko-Verordnung folgt den Grundsätzen des ökologischen Landbaus und ist damit auf jeden Fall stärker im Einklang mit der Natur als konventionelle Landwirtschaft. Dennoch steht sie oft, nicht ganz unberechtigt, in der Kritik. Das Problem: Die verankerten Regelungen sind relativ locker und bilden letztlich nur das Minimum dessen ab, was für einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt nötig ist. So müssen laut EG-Öko-Verordnung Betriebe nicht vollständig auf ökologischen Landbau umgestellt haben, es reicht auch eine Teilumstellung. Vor allem aber die Tierhaltung lässt viel Luft nach oben. Denn EG-Öko-Landwirtinnen und -Landwirte dürfen noch immer Massentierhaltung betreiben. Das sonst übliche Verstümmeln der Tiere an Schwänzen, Schnäbeln und Zähnen ist zwar routinemäßig nicht erlaubt, doch „artgerecht“ ist es kaum, wenn Tiere bis zu 24 Stunden lang zum Schlachthof transportiert werden.6 Die Kontrolle des Tierwohls ist ebenfalls nicht geregelt. Gemeint ist: Sind die Tiere frei von Hunger und Durst? Von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten? Können sie ihre natürlichen Verhaltensmuster ausleben?7 

Die Kür: Ökologische Landwirtschaft der Anbauverbände

Vielen Landwirtinnen und Landwirten geht die EG-Öko-Verordnung auch deshalb nicht weit genug. Sie erfüllen zusätzlich zu den Standards der EG-Öko-Verordnung noch die wesentlich strengeren Richtlinien der sogenannten Anbauverbände. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse von biologisch wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern, Verarbeiterinnen und Verarbeitern und anderen landwirtschaftlichen Produzentinnen und Produzenten. In Deutschland gibt es eine ganze Reihe dieser Verbände, wobei jeder etwas andere Schwerpunkte setzt. Das gilt für Zusatzstoffe, Futtermittel, Düngemittel, Auslauf der Tiere, Behandlung der Tiere im Krankheitsfall, das Nebeneinander von konventioneller und biologischer Landwirtschaft in einem Betrieb und vieles andere mehr.6 Gerade die Anbauverbände streben an, wirklich im Einklang mit der Natur Nahrungsmittel zu produzieren.

Fazit

Also: Bio gut, alles gut? Auch beim Thema Bio-Lebensmittel gilt letztlich, dass nicht alles Gold ist, was – in diesem Fall grün – glänzt. Achten Sie beim Kauf auf die Bio-Labels, insbesondere die der Bio-Anbauverbände. Besonders kniffelig wird es übrigens bei der Frage, ob Sie lieber zum importierten Bio-Produkt oder zum konventionell Angebauten greifen sollten. Eine Bio-Tomate, die erst aus Spanien importiert wurde, sieht nämlich unter reinen Emissions-Gesichtspunkten alt aus im Vergleich zu konventionellen Produkten.9 Doch Emissionen sind eben nicht alles: Die Grundsätze des ökologischen Landbaus weisen den Weg, wie Landwirtschaft jetzt und für kommende Generationen nachhaltig sein kann. Mit dem Kauf von Bio-Produkten, auch mit denen des EU-Bio-Logos, können Sie als Konsumentin oder Konsument diese Entwicklung fördern. 

 

Titelbild: Sippakorn Yamkasikorn/Pexels

 

Quellen:

  1. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Ökologischer Landbau in Deutschland
  2. Thünen-Institut: Besonderheiten der Tierhaltung im ökologischen Landbau
  3. M. Klett, Bewußtseinsgeschichtliche Aspekte zur Entwicklung des biologisch-dynamischen Landbaus im 20. Jahrhundert. In: Lebendige Erde, 5, 1994, S. 338.
  4. Unter anderem: Gentechnikfreies Saatgut
  5. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft: Neues Bio-Recht
  6. Ökolandbau: EU-Bio und Verbands-Bio im Vergleich
  7. Praxis-Agrar: Tierwohl – was heißt das eigentlich?
  8. Unter anderem: Demeter
  9. Quarks: Ökologische vs. konventionelle Landwirtschaft

Autor/-in

Valerie Bachert

Valerie Bachert ist Journalistin, Chefin vom Dienst und Nachhaltigkeits-Beauftragte. Ihr Interesse gilt den Bereichen ökologischer Landbau, bewusster Konsum, Artensterben, soziale Ungerechtigkeit und nachhaltige Ernährung.

Beiträge von Valerie Bachert


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