Ökologie & Gesellschaft

Game Changer Recyclingpapier

Berge aus Altpapier. Foto: Steinbeis Papier GmbH

20.08.2019 - Die Steinbeis Papier GmbH setzt für die Fertigung ihrer Recyclingpapiere keinen Zellstoff ein. Als Faserrohstoff dient die Sekundärressource Altpapier – und das zu 100 Prozent. Im Gespräch mit Produktionerin Katja Knahn spricht Marketingleiterin Veronika Warmers über die Besonderheiten des Herstellungsprozesses, Trends und Zukunftsperspektiven der Branche.

Katja Knahn: Recyclingpapier erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Welche Besonderheiten gibt es beim Herstellungsprozess im Vergleich zu dem von Frischfaserpapieren?

Veronika Warmers: Die Fertigung der Recyclingpapiere erfolgt auf einer modernen Papiermaschine, die sich technisch nicht wesentlich von einer Papiermaschine unterscheidet, auf der qualitativ gleichwertige Frischfaserpapiere produziert werden. Die größten Unterschiede zu einer Frischfaserpapierherstellung ergeben sich einerseits aus der Verwendung von Altpapier und dessen Aufbereitung in einer sogenannten Altpapieraufbereitung – sowie der Verwendung von Holz und der sogenannten Zellstoffproduktion anderseits.

Welche Unterschiede gibt es in diesem Prozess beim Energie- und Wasseraufwand?

Natürliche Ressourcen schonen und Effizienzpotenziale ausschöpfen, lautet der Grundsatz der Steinbeis Papier GmbH. Die Prinzipien von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft erstrecken sich bei Steinbeis über alle Wertschöpfungsketten. Auf dieser Basis – mit dem Einsatz von 100% Altpapier, der intelligenten Vernetzung von Stoffkreisläufen in einer integrierten Faseraufbereitung und Papierfertigung, einer hohen Rohstoffeffizienz, der umweltfreundlichen, emissionsarmen Energieerzeugung sowie dem Einsatz modernster Umwelt- und Kreislauftechnologien – trägt Steinbeis maßgeblich zum Erhalt natürlicher Ressourcen bei. Die Steinbeis Öko-Bilanz-Werte im Vergleich zur Herstellung herkömmlicher Papiere aus Frischfasern (lt. IFEU-Institut, Heidelberg, 2006/2010) belegen dies: Einsparung bei Wasser bis zu 83 Prozent, Energie bis zu 72 Prozent, CO2-Emissionen bis zu 62 Prozent, Holz 100 Prozent.

Gehen wir etwas tiefer in den Recycling-Prozess hinein: Deinking – also das Entfernen der Druckfarbe aus bedrucktem Altpapier – ist ein essentieller Bestandteil der Altpapieraufbereitung. Welche Aufgabe übernimmt Chemie bei diesem Prozess?

Die wesentlichen im Deinking-Prozess eingesetzten Hilfsstoffe sind: Natronlauge, Wasserstoffperoxid, Wasserglas, Seife. Natronlauge ist in fast jedem Haushaltsreiniger zu finden. Bei der Altpapieraufbereitung dient sie der Einstellung eines alkalischen pH-Wertes und unterstützt die Quellung der Papierfasern und damit die Druckfarbenablösung. Wasserstoffperoxid wirkt als umweltfreundliches Bleichmittel der Vergilbung der Papierfasern im alkalischen pH-Bereich entgegen. Es zerfällt nach dem Gebrauch in Wasser und Sauerstoff. Das Wasserglas dient der Stabilisierung des Wasserstoffperoxids, welches ansonsten rasch zu Wasser und Sauerstoff zerfallen würde. Zu früheren Zeiten wurde Wasserglas unter anderem zum Einlegen von Eiern benutzt. Die Seife, ähnlich der haushaltsüblichen Kernseife, dient in dem Aufbereitungsprozess als Sammler, der die abgelösten Druckfarben bindet, so dass diese aus dem Papierfasergemisch ausgeschleust werden können – ähnlich wie die Schmutzentfernung beim täglichen Händewaschen.

Was sagen Sie zu dem Trend »Cradle-to-Cradle« in Hinblick auf Recycling im grafischen Gewerbe? Alternative oder Weiterentwicklung?

Cradle-to-Cradle verfolgt den Ansatz, dass ein Produkt entweder in einem technischen Kreislauf möglichst vollständig recycelt wird oder alternativ in einem biologischen Kreislauf möglichst vollständig kompostierbar ist. Es ist also keine Alternative zum Recycling, sondern aus Sicht der Steinbeis Papier GmbH eher eine Weiterentwicklung bereits bestehender Umweltzeichen und Produktdesigns, in dem die Wiederverwertungsmöglichkeiten und -wege schon bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden. Mit dem Grundsatz „Papiere aus dem Kreislauf für den Kreislauf“ erfüllen die Steinbeis-Papiere das Cradle-to-Cradle-Prinzip.

Welche Probleme gibt es derzeit auf dem Markt und wie sieht Ihre Zukunftsprognose aus im Bereich Recyclingpapier?

Der digitale Wandel hinterlässt in der Papierbranche seine Spuren. Die Nachfrage bei grafischen Papieren geht Jahr für Jahr zurück. Im Wirtschaftsumfeld der großen Papierkonzerne, die den Markt weltweit dominieren, besetzt das Mittelstandsunternehmen Steinbeis Papier die Position der ökologischen und ökonomischen Alternative zu herkömmlichen Frischfaserpapieren. Die Diskussionen um Klimaschutz, Energiewende, Ressourcengerechtigkeit und Senkung des Carbon-Footprint zeigen, wie sehr die Themen von Bedeutung sind. Immer mehr Unternehmen und Konsumenten wollen ihren Teil dazu beitragen. Recyclingpapiere mit dem Blauen Engel, so wie sie die Steinbeis Papier GmbH herstellt, kommen diesem Konsumbedürfnis entgegen und bieten entsprechendes Wachstumspotenzial.

Kurz erklärt: FSC Recycled versus Blauer Engel

Die Organisation Forest Stewardship Council (FSC) vergibt seine Kennzeichen an Produkte, die verantwortungsvolle Waldwirtschaft fördern. Im Zusammenhang mit Papier kann der Faserrohstoff aus hoch aufgeschlossenem Zellstoff (holzfrei), aber auch weniger hoch aufgeschlossenen Zellstoffen (holzhaltig) oder aus Recyclingfasern bestehen. Der FSC sieht in Abhängigkeit von dem eingesetzten Material unterschiedliche Label vor: FSC, FSC Mix und FSC Recycled. Das FSC Recycling-Kennzeichen steht für Produkte, die ausschließlich Recyclingmaterial beinhalten.

Der Blaue Engel ist das deutlich höherwertigere, und strengere Umweltzeichen, das weit reichendere Forderungen an ein Papier stellt als das FSC Recycled Siegel. Der Blaue Engel garantiert, dass die ausgezeichneten Produkte hohe Ansprüche an Umwelt-, Gesundheits- und Gebrauchseigenschaften erfüllen. Bevor ein Druck- und Kopierpapier mit dem Blauen Engel ausgezeichnet wird, muss es strenge Kriterien erfüllen: Garantiert hergestellt aus 100 Prozent Altpapier, kein Einsatz von Chlor oder halogenierten Bleichmitteln, klare Begrenzung und Ausschluss bestimmter Chemikalien bei der Papierherstellung. Alle Hilfsstoffe müssen nach der XXXVI Empfehlung (Lebensmittel und Bedarfsgegenständegesetz des Bundesinstitutes für Risikobewertung BfR) zugelassen sein.

Katja Knahn, Projekt- und Produtkionsmanagerin, Foto: paperkate.de

Zur Person:

Katja Knahn arbeitet als selbstständige Projekt- und Produktionsmanagerin für Gestalter, Designbüros, Agenturen, Verlage und Unternehmen. Mit langjähriger Erfahrung und starken Nerven steuert sie alle Projekte in die gewünschte Richtung. Durch offene Kommunikation, klarer Struktur und dem berühmten Blick über den Tellerrand nimmt sie gelassen und sportlich jede Herausforderung an. Der Fokus ihrer Arbeit liegt neben der technisch-konzeptionellen Beratung und Begleitung auf einem intelligenten Produktions- und Projektmanagement. Ihrer Erfahrung nach können durch das frühzeitige Einbeziehen der technischen Parameter großartige und nachhaltige Projekte auch mit kleineren Budgets verwirklicht werden. Mit einer hohen Verbindlichkeit, dem Wunsch nach Perfektion und Präzision, fundiertem Know-how und einem breiten Netzwerk in der Branche steht sie dafür, komplexe Projekte erfolgreich auf den Weg zu bringen und zu realisieren. Sie liebt den Austausch mit Kreativen und Partnern und gibt ihr Wissen mit Vergnügen auch in Form von Seminaren, Workshops oder als Autorin und Sprecherin weiter. Mehr Infos unter: www.paperkate.de

 

Titelbild: Steinbeis Papier GmbH


Autor/-in

Veronika Warmers

Verantwortet das Marketing, den Bereich Social Media und e-business bei Steinbeis Papier. Kreislaufwirtschaft, Recycling und Biodiversität sind die Themen, die der diplomierten Betriebswirtin am Herzen liegen. Begeisterte Bloggerin des Steinbeis Redaktionsteams.

Beiträge von Veronika Warmers


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