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Von Glückstadt in die Welt

Für Benjamin Höckendorf war die Arbeit im Remote-Modus schon vor der Pandemie Routine – als Vertriebler ist er ständig unterwegs und hat sein Büro mit Notebook und Smartphone überall. Fotos: Sora Shimazaki/Pexels, Adrien Olichon/Pexels

08.06.2020 - Als europäischer Marktführer für grafische Recyclingpapiere aus 100 Prozent Altpapier bedient Steinbeis Papier eine riesige Bandbreite an Kund:innen in vielen Ländern. Sales Director Benjamin Höckendorf (40) ist für den Gesamtvertrieb verantwortlich. Im Interview berichtet der zweifache Familienvater von seinem Arbeitsalltag „on the road“, vom strategischen Vorgehen bei Kund:innen und von seinem persönlichen Werdegang vom Azubi bis in die Geschäftsleitung bei Steinbeis Papier.

Herr Höckendorf, wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Grundsätzlich beginne ich meinen Arbeitstag zwischen 7.30 und 8 Uhr. Nach dem Checken der E-Mails beantworte ich erste Fragen der Kolleg:innen. Sie nutzen die Zeit, wenn ich noch keine externen Termine habe. Ab 9 Uhr starten Kund:innenkontakte, in diesen Zeiten per Videocall. Anschließend geht es vor allem mit internen Besprechungen weiter.

Wie viel Kund:innenkontakt haben Sie als Sales Director?

In koordinierender Funktion immer weniger. Dennoch ist mir der Kund:innenkontakt sehr wichtig, nah an der Basis dran zu sein, zu wissen, was bei den Kund:innen passiert. Bei wichtigen oder kritischen Kund:innengesprächen begleite ich auch die Mitarbeiter:innen. Wenn man beispielsweise bei großen Druckereien vorstellig wird, sind auch meist Geschäftsführer:innen dabei – dann müssen wir von Steinbeis Papier vor Ort personell so aufgestellt sein, um auch direkt Entscheidungen treffen zu können.

Wie viel Zeit verbringen Sie im Büro und wie viel bei auswärtigen Terminen (wenn Sie auf die Zeit vor der Pandemie blicken)?

Montag ist so ein Tag, an dem ich grundsätzlich im Büro bin. Da finden dann Besprechungen mit dem Management bis hin zur Geschäftsführersitzung am späten Nachmittag statt. Von Dienstag bis Freitag bin ich „on the road“. Ein solcher Arbeitsalltag sieht dann so aus: Ich nehme den ersten Flieger, und meine Destination ist dann meist im europäischen Ausland. Dort angekommen, führe ich Gespräche mit Kund:innen, gehe mit ihnen essen und übernachte oftmals noch in einem Hotel. Gegen Ende der Woche nehme ich neben der Besuchsnachbereitung und den Teammeetings noch oft Termine in Deutschland wahr. Und dann geht es auch schon ins Wochenende.

Steinbeis Papier hat Kund:innen in ganz Europa. Für Benjamin Höckendorf sind es die internationalen Vernetzungen, die seinen Job so abwechslungsreich machen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in Ihrem Aufgabenbereich?

Herausfordernd und reizvoll zugleich ist mein Job deshalb, weil meine Arbeitstage kaum planbar sind. Ich weiß, wann es losgeht, kann aber kaum sagen, welche konkreten Aufgaben dann auf mich warten. Da kann es sein, dass wir Kund:innen wegen Produktionsverzögerungen trösten und spontan adäquate Lösungen erarbeiten müssen. Vor allem aber die multinationale Zusammenarbeit macht meinen Job als Leiter des gesamten Steinbeis Vertriebs so spannend. Eine Mitarbeiterin ist Australierin und lebt in England, eine spanische Kollegin wickelt für uns Geschäfte in Frankreich ab – der tägliche Austausch findet international, europaweit auf Englisch und Deutsch statt.

Wie werden Kund:innengespräche von Steinbeis Papier geführt?

Man kann sich das nicht als klassisches Verkaufsgespräch vorstellen. Wir wollen Kund:innen von unserer Philosophie überzeugen, damit sie auf Steinbeis Papier umstellen. Bei Großkund:innen findet der Austausch häufig zu Konditionen, Mengen oder bisheriger Performance statt. Wichtig ist immer, dass wir uns gedanklich auf den Stuhl der Kund:innen setzen, ihre Perspektive einnehmen, um sie mit ihren Anliegen abzuholen.

Mit welchen neuen Arbeitsweisen rechnen Sie für den Sales-Bereich nach der Pandemie?

Wir werden weitgehend, aber nicht zu 100 Prozent zu den alten Arbeitsweisen zurückkehren. Meetings in Paris oder Madrid, die für zwei Stunden angesetzt sind, aber eine Reisedauer von zwölf Stunden und mehr bedeuten, werden wir wohl vermehrt digital abhandeln können. Vor allem hat sich mit der Pandemie die Möglichkeit von spontanen Videokonferenzen etabliert. Zudem spielt auch ein Nachhaltigkeitsgedanke mit hinein, wenn sich die Anzahl der Reisen reduziert. Weiter steigen wir vermehrt auf die Bahn um, die bei Reisen vor allem innerhalb Deutschlands kaum einen zeitlichen Unterschied zum Flugzeug ausmacht.

Wie setzt sich das Kund:innenportfolio bei Steinbeis Papier zusammen?

Im Produktbereich der Magazinpapiere haben wir es vor allem mit Verlagen und Druckereien zu tun. Mit diesen schließen wir Kontakte, Vereinbarungen und zurren Konditionen fest. Der Bereich der Büropapiere ist von einem indirekten Geschäftsmodell geprägt. Großhändler:innen und Office-Supplier sowie Endkund:innen bilden hier unsere Hauptklientel.

Welche Verkaufsargumente stehen neben der Nachhaltigkeit von Steinbeis Papier?

Kontinuität spielt eine wichtige Rolle. Wir sind ein seit vielen Jahrzehnten im Markt etabliertes Unternehmen, das wettbewerbsfähig gut aufgestellt ist und auch in Zukunft verlässlich arbeitet.

Das Siegel „Made in Germany“ hat gerade bei ausländischen Kund:innen wieder an Bedeutsamkeit gewonnen. Und das Thema „Innovationsfreudigkeit“ – wir liefern immer wieder neue Ideen und Produkte.

Wie weit ist das Umweltbewusstsein bei den Kund:innen ausgeprägt?

In Deutschland sind wir schon Vorreiter. Man merkt aber, dass sich im europäischen Ausland wie Italien oder Spanien sehr viel in diese Richtung tut. Frankreich hat sogar die Verwendung von Recyclingpapier in staatlichen Institutionen vorgeschrieben. Schulen und Verwaltungen dort setzen jetzt schon Steinbeis Papier ein. Häufig beginnt die Nachfrage bei Behördenkund:innen. Wir merken aber auch zunehmendes Interesse aus der Privatwirtschaft. Hier wird aktiv nach Produkten gefragt, die wie unsere aus der Kreislaufwirtschaft kommen.

Ist es heute leichter, Recyclingpapier zu verkaufen?

Es ist grundsätzlich schwieriger, Papier zu verkaufen, da der Markt von Überkapazitäten geprägt ist. Allerdings werden die Argumente, die wir früher gebetsmühlenartig hineingeben mussten, heute von den Kund:innen schneller verstanden und akzeptiert. Durch eine verstärkte Informationslage über digitale Kanäle sind Kund:innen auch viel besser vorbereitet. Die Gespräche finden dann auf einem ganz anderen Niveau statt.

Wie wichtig ist der persönliche Kund:innenkontakt?

Jetzt in Pandemiezeiten wird die Bedeutung des persönlichen Austauschs besonders deutlich. Als Vertriebler sind wir darauf trainiert, Körpersprache zu lesen. In einem Videocall ist das unmöglich. Man sieht ein Gesicht und eventuell noch mal eine Hand. Aber ich kann die Reaktion nicht so erkennen, um einschätzen zu können, ob die Botschaft auch richtig angekommen ist. Geschäfte laufen über Beziehungen, weil man jemandem vertraut. Diese Beziehungen lassen sich nicht via Bildschirm pflegen.

Wie argumentieren Sie, wenn es um den Diskurs „Papier vs. digital“ geht?

Wir werden immer wieder damit konfrontiert, da es heißt, es sei besser, digital als mit Papier zu arbeiten. Doch die digitale Alternative ist alles andere als klimaneutral. Wenn man etwas im Internet sucht, setzen sich riesige Server mit immensem Energieverbrauch in Gang. Außerdem prägt sich das geschriebene Wort auf Papier viel besser ein. Ich sehe aber auch Synergien zwischen Papier und digital. Technologien wie Augmented Reality – wenn man auf Papier gedruckte Inhalte digital erlebbar macht – schlagen hier eine Brücke.

Welche Vorteile sehen Sie im neuen Produktportfolio und im neuen Markenauftritt auch für Ihre Arbeit?

Die gesamtgesellschaftliche Debatte zielt darauf ab, dass wir umdenken müssen. Schon vor der Corona-Pandemie wurde darüber gestritten, wie wir Ressourcen nutzen und einsparen. Unser Thema „Papier neu denken“ liefert dazu den perfekten Ansatz. Zudem hat sich die Begrifflichkeit Recyclingpapier abgenutzt. Mit ihm verbinden die Menschen bestimmte Vorstellungen, die nicht mit unserer Vorstellung von diesem Produkt übereinstimmen. Mit ReThinkingPaper setzen wir noch mal einen ganz neuen Maßstab, was uns in unserer Argumentation bei Kund:innen ungemein hilft. Und die Resonanz ist durchweg positiv.

Vom Azubi zum Sales Director – mit Steinbeis Papier realisiert Benjamin Höckendorf seit 22 Jahren seine Karriere. In dieser Zeit sind viele Freundschaften entstanden. Er schätzt vor allem die familiäre Atmosphäre im Unternehmen. Fotos: Florian Thoss für Steinbeis Papier, Steinbeis Papier

Welche Möglichkeiten bietet der neue Onlineshop?

Zunächst mal bilden unsere Online-Bestrebungen keine Konkurrenz zu unserem jetzigen Geschäft mit Großkund:innen wie Behörden oder Office-Suppliern. Wir sprechen eine Kund:innengruppe an, die Steinbeis Papier bisher nicht so im Blick hatte – das sind kleine bis mittelständische Unternehmen, die von unseren Bestands-Großkund:innen nicht bedient werden. Das kann eine Anwaltskanzlei oder eine kleine Tischlerei sein, die bereit ist, ihren Papierverbrauch nachhaltig zu organisieren.

Etiketten aus Steinbeis Papier sollen das Produktportfolio erweitern. Wie sieht Ihre Strategie hinsichtlich neuer Produkte aus?

Wir haben für uns eine Marktsegmentierung vorgenommen. Wichtig war zu schauen, welche Unternehmen selbst große Nachhaltigkeitsziele verfolgen, die durch den Einsatz derzeitiger Labels noch nicht gedeckt sind. Auch hier haben wir durch die jeweiligen Ansprechpartner:innen große Zustimmung erfahren.

Vom Azubi zum Sales Director – ein beachtlicher Werdegang. Wie kam es dazu?

Ich startete 1998 meine Ausbildung bei Steinbeis Papier. Meine ganze Familie bis zum Urgroßvater, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen nach Glückstadt floh, hat bei Steinbeis Papier gearbeitet. Daher hätte ich mir gar nicht erlauben können, bei einem anderen Unternehmen anzufangen. Schon durch ein Praktikum bei Steinbeis Papier als 16-Jähriger fand ich schnell heraus, wie sehr mir die Arbeit – die Kombination aus Industrie und Büro – Spaß macht.

Vor allem aber die familiäre Atmosphäre bei Steinbeis Papier war damals und ist auch noch heute ausschlaggebend für meine Verbundenheit mit dem Unternehmen. Ich sehe die Mitarbeiter:innen wie erweiterte Familienmitglieder. In 22 Jahren haben sich dort sehr viele Freundschaften entwickelt.

Welchen Anteil hat Steinbeis Papier an Ihrer beruflichen Karriere?

Steinbeis Papier und mein unbedingter Leistungswille haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt beruflich stehe. Mit Unterstützung des Unternehmens konnte ich mein Studium absolvieren. Weiter durchlief ich sämtliche Vertriebstätigkeiten. Mein Weg führte dann über die Position des Key-Account-Managers zum Marktbereichsleiter, was schon zum mittleren Management zählt. Vor zwei Jahren erhielt ich dann die Chance, ins obere Management aufzusteigen, um als Teil der Geschäftsleitung den gesamten Vertrieb bei Steinbeis Papier zu leiten. Nicht jedes Unternehmen ermöglicht einem einen solchen Werdegang. Das Klischee „einmal Azubi, immer Azubi“ kann ich ganz klar widerlegen.

Foto: Pavel Danilyuk/Pexels

Anderes Thema: Mit dem Rad 55 Kilometer zur Arbeit – welche Motivation steckt dahinter?

Entstanden ist die Idee tatsächlich bei einer Bierwette. Ein Freund spornte mich mit der Aussage an, dass ich es nicht schaffen würde, im Jahr 2020 fünfmal von meinem Wohnort Buxtehude nach Glückstadt zur Arbeit mit dem Fahrrad zu fahren. Trotz widrigster Wetterbedingungen konnte ich die Wette gewinnen und habe mir für dieses Jahr vorgenommen, mit dem Rennrad noch weitere zehn solcher Etappen zu absolvieren. Und auch organisatorisch stellt das kein Problem dar. Im Produktionsbereich bei Steinbeis Papier haben wir perfekt ausgestattete sanitäre Einrichtungen: Fahrradklamotten ausziehen, duschen und den Anzug überstreifen – lediglich am kostspieligen Rennrad, das ich mit ins Büro nehme, erkennen die Kolleg:innen, dass ich bereits eine Tour hinter mir habe.

Wie sieht Ihre persönliche Ökobilanz aus?

In der Familie haben wir den Konsens, dass wir Erledigungen in der unmittelbaren Umgebung nicht mehr mit dem Auto machen. Das hat dazu geführt, dass nur noch ich jetzt bei Wind und Wetter Brötchen holen fahre. Ich merke auch, dass meine Kinder ein immer stärkeres Nachhaltigkeitsbewusstsein entwickeln. Mein Sohn wies zuletzt darauf hin, dass wir doch weniger Fleisch essen sollten. Ich habe als passionierter Griller gelernt, dass auch Gemüse vom Rost sehr lecker sein kann. 

 

Titelbild: Florian Thoss für Steinbeis Papier


Autor/-in

Benjamin Seibring

Benjamin Seibring ist Redakteur für die Bereiche Lifestyle und Mobilität. Er interessiert sich zudem für Kulturthemen mit den Schwerpunkten Musik, Film und Medienanalyse.

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